Rhein-Kreis Neuss Petrauschke will Schulsozialarbeit sichern

Rhein-Kreis Neuss · Mit dem Ende der Finanzierung durch den Bund drohte Teilen der Schulsozialarbeit das Aus. Das Land will nur 60 Prozent der Kosten tragen. Der Kreis hat ein Modell entwickelt, um 33 Mitarbeiter zunächst bis 2017 halten zu können.

 Plädoyer für Schulsozialarbeit (v.l.): Rainer Schöneck, Hans-Jürgen Petrauschke, Sabine Boltersdorf.

Plädoyer für Schulsozialarbeit (v.l.): Rainer Schöneck, Hans-Jürgen Petrauschke, Sabine Boltersdorf.

Foto: RKN

Kein Geld für Nachhilfe, für die Klassenfahrt, fürs gemeinsame Mittagessen in der Mensa oder den Sportverein in dem sich am Nachmittag die Freunde austoben - finanziell benachteiligten Kindern droht im Schulalltag die soziale Isolation. Seit 2011 sorgt das vom Bund initiierte Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) dafür, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern ohne Stigmatisierung an allen Schulangeboten teilnehmen können. Maßgeblichen Anteil am Erfolg des Programms haben eigens für die Umsetzung des BuT eingestellte Sozialarbeiter. Mit dem Auslaufen der Bundesförderung war jedoch fraglich, ob das Modell eine Zukunft hat. Ende vergangenen Jahres erklärte das Land zwar, für drei Jahre in die Finanzierung einzusteigen - allerdings im Fall des Rhein-Kreises nur mit einer Übernahme von 60 Prozent der Kosten. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke schlägt der Politik jetzt ein Modell vor, dass die Arbeit der 33 quer durch den Rhein-Kreis arbeitenden Sozialarbeiter bis Ende 2017 sichert.

Finanziert werden soll das zunächst mit Restmitteln aus der Bundesförderung und den angekündigten Landeszuschüssen. Rund 1,42 Millionen Euro kosten die 33 beim kreiseigenen Technologiezentrum Glehn (TZG) angestellten Sozialarbeiter pro Jahr. Von 2015 bis 2017 zahlt das Land jährlich rund 850 000 Euro. Der Kreis müsste also 560 000 Euro pro Jahr selbst aufbringen. Mit den Restmitteln aus der Bundesförderung - sie läuft seit 2011, die BuT-Sozialarbeit im Kreis startete aber erst 2012 - kann der Kreis diesen Eigenanteil bis einschließlich 2016 auf Null reduzieren. Für 2017 müssten dann knapp 100 000 Euro als zusätzlicher Eigenanteil aufgebracht werden. "Damit könnten wir die Hilfe für die betroffenen Kinder und Familien drei weitere Jahre sichern - und zudem unseren 33 Mitarbeitern zumindest zeitlich begrenzt eine berufliche Perspektive bieten", sagt Petrauschke. Stimmt die Politik im Ausschuss und Kreistag zu, würden die laufenden Verträge der Sozialarbeiter zunächst bis 2017 verlängert.

Wie wichtig deren Arbeit ist, zeigt, so Kreissozialdezernent Jürgen Steinmetz, die Entwicklung bei der Zahl der BuT-Anträge. Seit dem Start des Programm 2011 sei es gelungen, die Zahl der Leistungen für die rund 14 000 Antragsberechtigten im Rhein-Kreis deutlich zu steigern. Stand Ende 2014 seien 73 000 Anträge für Lernförderung, Mittagsverpflegung, Schulbedarf und anderes mehr gestellt worden. "Damit haben wir 85 Prozent der antragsberechtigten Kinder und Jugendlichen erreicht. Das ist im Landesvergleich überdurchschnittlich", sagt Steinmetz. An 40 Prozent der Anträge hätten Schulsozialarbeiter mitgewirkt. "Und die Sozialarbeiter leisten noch mehr: Sie helfen nicht nur bei den Anträgen, sie sind auch Türöffner für weitere Angebote und Beratungen", sagt Steinmetz. Durch den einfachen und mit wenig Hürden verbundenen Kontakt in der Schule könnten auch weitergehende Beratungen vermittelt werden, so zum Beispiel in Erziehungsfragen oder bei Schuldenproblematiken. Für viele Schüler seien die Sozialarbieter zudem dringend benötigte Vertrauenspersonen. "Das unterstützt unsere Bemühungen, Jugendlichen den Weg ins Berufsleben und in ein selbstständiges, nicht mehr von Hartz IV abhängiges Leben zu erleichtern", sagt der Landrat.

Fast alle Kommunen im Kreis befürworten nach einer Umfrage des Kreises die Fortführung der BuT-Schulsozialarbeit. Ausnahme ist die Gemeinde Jüchen, die angesichts der Sozialstruktur in der Gemeinde keinen Bedarf sieht. Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld würde die in seiner Stadt tätigen Sozialarbeiter zwar eigentlich lieber selbst anstellen, steht aber einer weitere Finanzierung durch den Kreishaushalt nicht entgegen. Ein positives Echo kommt auch aus Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit: Beim Kreis gingen 30 Briefe ein, in denen gebeten wird, die Schulsozialarbeit fortzusetzen. Rainer Schöneck, Leiter der Michael-Ende-Schule in Neuss, zum Beispiel spricht von einer "hervorragenden Investition in die Zukunft und einer positive Unterstützung gerade solcher Kinder, die aus sozial schwachen Familien kommen und nur unzureichend durch ihre Eltern unterstützt werden". Die Lehrer des Theodor-Schwann-Kollegs, ebenfalls in Neuss, legten sogar eine Liste mit 28 Unterschriften aus dem Kollegium bei, um der Bitte um Vertragsverlängerung für "ihre" Sozialarbeiterin Nachdruck zu verleihen.

Petrauschke freut die Unterstützung, gleichzeitig sorgt er sich trotz der skizzierten Lösung bis 2017 um den dauerhaften Erhalt der Sozialarbeiterstellen. Das Land, so Petrauschke, müsse die Finanzierung eigentlich komplett und auf Dauer übernehmen. Die Arbeit der Sozialarbeiter werde in Zukunft noch wichtiger: Neu eingerichtete Sekundarschulen und mehr Inklusion - gemeinsames Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung - erhöhten den Bedarf an Sozialarbeit.

(NGZ)
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