Rhein-Kreis Neuss Partei-Neuling als "Spitzenkandidat"

Rhein-Kreis Neuss · Als Präsident führt er Regie über das mehr als 800 Aktive zählende Grevenbroicher Bürgerschützen-Regiment. Nun will Dr. Peter Cremerius auch den Landtag erobern. Der 58-Jährige kandidiert für die FDP im Wahlkreis Rhein-Kreis Neuss II. Für den Arzt ist das eine Ehrensache.

 Die große Leidenschaft des FDP-Kandidaten: Peter Cremerius leitet seit 2006 als Präsident den 1849 gegründeten Bürgerschützenverein.

Die große Leidenschaft des FDP-Kandidaten: Peter Cremerius leitet seit 2006 als Präsident den 1849 gegründeten Bürgerschützenverein.

Foto: Archiv Reuter

Es war der Sonntag, an dem in Berlin der neue Bundespräsident Joachim Gauck gewählt wurde. Peter Cremerius saß zu dieser Stunde mit dem Grevenbroicher FDP-Parteistrategen Markus Schumacher zusammen. Beide plauderten über Politik, als das Handy klingelte. Am anderen Ende der Leitung war der Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai, der sich nach dem Wahlgang bei seinem Parteifreund Cremerius meldete. Wie er sich denn nun entschieden hätte, wollte der Mann aus Berlin wissen.

 Die in seiner Heimatstadt Grevenbroich produzierte Energie thematisiert Dr. Peter Cremerius auch in seinem Wahlkampf. Er setzt sich für einen Energiemix ein, in dem die Braunkohle eine wichtige Rolle spielt.

Die in seiner Heimatstadt Grevenbroich produzierte Energie thematisiert Dr. Peter Cremerius auch in seinem Wahlkampf. Er setzt sich für einen Energiemix ein, in dem die Braunkohle eine wichtige Rolle spielt.

Foto: M. Reuter

In dieser Sekunde wäre in einem Comic ein großes Fragezeichen über dem Kopf des 58 Jahre alten Arztes erschienen. Denn Markus Schumacher war noch nicht so weit und hatte seinem Gegenüber somit auch noch nicht den wahren Grund des Treffens verraten. Wovon Peter Cremerius noch nichts wusste: Er sollte am 13. Mai als Landtagskandidat für die FDP ins Rennen gehen, dafür hatte sich der Stadtverband ausgesprochen — unterstützt von den Liberalen aus Dormagen und Rommerskirchen. Schumacher musste nach dem Telefonat keine Überredungskünste mehr anwenden — Cremerius sagte spontan zu: "Wann darf jemand schon einmal Landtagskandidat sein? Das ist für mich eine große Ehre", sagt er.

Und ein glänzender Start in die Politik. Denn der Vater von drei Kindern besitzt erst seit Ende 2011 das Parteibuch der Freidemokraten, seit Anfang 2012 ist er Mitglied des Stadtpartei-Vorstandes. Aber: "Ich bin seit meiner Schulzeit ein glühender Anhänger der FDP", gibt Cremerius zu: "Das Prinzip des freien Bürgers steht im Mittelpunkt ihrer Politik — das gefällt mir." Dies versucht der Freund klassischer Musik nun auch in seinem Wahlkreis rüberzubringen, in dem er größtenteils ein noch relativ unbeschriebenes Blatt ist.

Was nicht für Grevenbroich gilt. In der alten Kreisstadt wurde Peter Cremerius nicht nur geboren, er ging an der Erft auch zur Schule und arbeitet dort seit mehr als 20 Jahren als niedergelassener Arzt. Nur während seiner Dienstzeit beim Bundesgrenzschutz in Bonn kehrte er der Heimatstadt den Rücken zu. Und natürlich für die wenigen Jahre, die Cremerius im bayerischen Murnau verbrachte. Dort arbeitete er in einem "kleinen und romantischen Krankenhaus" . . . und traf auf die Liebe seines Lebens: Heike. Sie war Schwester, er war diensthabender Internist — der Rest ist (Ehe-)Geschichte. "Das war fast schon wie in einem Arzt-Roman", meint er schmunzelnd.

Die Schlossstadt feierte Schützenfest, als Peter und Heike Cremerius im Jahr 1990 das bayerische Alpenpanorama gegen die Grevenbroicher Kraftwerks-Silhouette tauschten. Während in der Nachbarschaft die Paraden abgehalten wurden, ließen sich die beiden in der Südstadt nieder. Das färbte offenbar ab: 1997 feierten die Cremerius' erstmals das Schützenfest aktiv mit — und zwar gleich als Königspaar des BSV. Konsequenterweise übernahm der Arzt keine zehn Jahre später auch die Regie im Verein: 2006 wurde er Präsident der Bürgerschützen und führt seither in seiner Freizeit "ein mittelständisches Unternehmen mit sechsstelligem Umsatz", selbstverständlich mit einer engagierten Vorstandsmannschaft an seiner Seite. "Ohne dieses Team läuft überhaupt nichts", meint der Schützen-Chef.

Auf das Amt des Präsidenten ist Peter Cremerius stolz. Nicht nur, weil viele große Söhne der Stadt in der 163-jährigen Geschichte den Verein repräsentierten. Für ihn ebenso wichtig: "Die Bürgerschützen sind seit vielen Jahren die größte und traditionsreichste gesellschaftliche Institution im Stadtzentrum. Das ist ein Kulturdenkmal, das gepflegt werden muss", sagt Peter Cremerius. Als Präsident sieht er sich hierbei in einer besonderen "historischen Verantwortung".

Da das nächste Fest erst Anfang September ansteht, hat der 58-Jährige Zeit, sich auf den Landtagswahlkampf zu konzentrieren. Obwohl Cremerius sich kaum Chancen auf ein Abgeordnetenbüro ausrechnet, ist er entschlossen, für die FDP das meist Mögliche herauszuholen — und ist optimistisch, dass die Liberalen am 13. Mai die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten werden. Das macht er auch an einer Person fest — Christian Lindner. "Mit ihm haben wir wieder Wind in die Segel bekommen. Er ist intelligent und überzeugend, da wird man einfach mitgerissen", sagt der Internist. Längst hat er eine Autogrammkarte des FDP-Spitzenkandidaten in seinem Arbeitszimmer stehen — im kurzen Wahlkampf hat man sich bereits getroffen.

Seit seiner Nominierung im März tourt Peter Cremerius durch den Wahlkreis und vertritt dort seine Positionen. Sein wichtigstes Anliegen: "Der Schuldenabbau muss vorangehen und in Zukunft oberste Priorität genießen. Wir können diesen Punkt nicht auf den Rücken unserer Kinder austragen", sagt er. Als Anlieger des größten europäischen Kraftwerksstandortes widmet sich Cremerius auch der Energiepolitik, er tritt für "einen Mix aus umweltfreundlichen Kohle- und Gaskraftwerken und erneuerbaren Energiequellen" ein. Auch die Zukunft der Schulen interessiert ihn. Peter Cremerius ist gegen Einheitsschulen und für den Erhalt von Gymnasien: "Neben der integrativen muss es auch die differenzierte Schulform geben", sagt der 58-Jährige.

Den Wahlkampf führt er nicht nur Off-, sondern auch Online — was für ihn noch Neuland ist. Per Twitter und Facebook wird er auf seinem Smartphone ständig von Parteifreunden auf dem Laufenden gehalten — und natürlich postet er mittlerweile auch selbst. "Vor der Gauck-Wahl habe ich das alles nicht gekannt", gibt der 58-Jährige zu: "Aber ehrlich, es gefällt mir."

Der Job als Internist, das Amt des Schützenpräsidenten und der Einsatz als Wahlkämpfer geben Peter Cremerius derzeit kaum Zeit zum Entspannen. Um Ruhe vom Alltag zu finden, muss der Grevenbroicher aber nicht weit ausschweifen — da genügt ein Gang in den Garten. Genauer: zum großen Teich, an dem die Familie Cremerius begeistert einen Teil ihrer Freizeit verbringt. Im glasklaren Wasser tummeln sich ansehnliche Exemplare der Gattung Koi, die nicht nur gepflegt, sondern auch beobachtet werden wollen. "Das ist ein schönes Hobby", meint Peter Cremerius.

Den Urlaub verbringt er allerdings nicht am eigenen Gewässer, da zieht es ihn mit seiner Frau an die französische Atlantikküste. Schon seit vielen Jahren reisen die Cremerius' in einen kleinen Ort irgendwo zwischen Bordeaux und Biarritz, den das Familienoberhaupt schon seit seiner Jugendzeit kennt. "Ein einfaches Ferienhaus, nicht weit vom Wasser entfernt — herrlich", schwärmt Peter Cremerius. Was sich der 58-Jährige vorgenommen hat: "Einmal quer durch Frankreich fahren." Aber dafür ist ja auch nach der Wahl noch Zeit.

(NGZ/rl)
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