Rhein-Kreis Neuss Nur Durchschnitt

Rhein-Kreis Neuss · Rhein-Kreis Neuss Von vielen Rankings in der Vergangenheit verwöhnt, scheint im Rhein-Kreis Neuss die Welt in Ordnung zu sein. Doch der vom Institut Prognos am Donnerstag vorgelegte "Familienatlas 2007" verweist den Kreis in der Liga der Regionen nur ins hintere Drittel.

 Die Familienfreundlichkeit hat sich der Kreis zwar auf die Fahnen geschrieben: Statistiker bescheinigen der Region aber Aufholbedarf.

Die Familienfreundlichkeit hat sich der Kreis zwar auf die Fahnen geschrieben: Statistiker bescheinigen der Region aber Aufholbedarf.

Foto: NGZ-Online

Der Atlas vergleicht die 439 Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands mit Blick auf ihre Attraktivität für Familien mit Kindern. Einziger Trost: Der Kreis Neuss wird als "Potenzialregion" eingestuft und ist - abgesehen von Düsseldorf - von Kommunen umgeben, die mit dem Prädikat "passiv" versehen noch schlechter abschneiden.

Zur Erinnerung: Im Januar vor zwei Jahren hatte Prognos seine letzte Bestandsaufnahme der Familienfreundlichkeit vorgelegt. Damals fiel der Kreis Neuss unter die Kategorie der "Unauffälligen".

Prognos betont aber, dass der neue Familienatlas "eine grundlegende konzeptionelle Weiterentwicklung" des Familienatlas von 2005 darstelle, weshalb keine Vergleiche oder Aussagen zu Verbesserungen und Verschlechterungen von Regionen möglich seien.

Der Schwerpunkt liegt nun auf vier familienpolitischen Handlungsfeldern: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wohnsituation und Wohnumfeld, Bildung und Ausbildung sowie Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche.

Allein mit Letzterem kann der Rhein-Kreis laut Prognos wirklich punkten: Für seine Freizeitangebote erhielt er die Wertung "überdurchschnittlich" und schafft es damit auf Rang 136 von 439. Darin eingeflossen sind Kriterien wie die Zahl der Betreuungspersonen in der Jugendarbeit, der Anteil junger Menschen in Sportvereinen, aber auch der Besuch von Musikschulen und öffentlichen Büchereien.

Als "durchschnittlich" werden die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dargestellt (Rang 259). Im unteren Mittelfeld liegt die Betreuungsquote der Kinder unter drei Jahren.

Ins obere Mittelfeld schafft es der Kreis mit seiner Ganztagsbetreuungsquote im Kindergartenalter. Schlecht ist es nach Meinung der Prognos-Forscher um die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bestellt: Im Vergleich kommt der Rhein-Kreis nur auf Platz 373.

Im Ranking der Wohnsituation und des Wohnumfelds wurden Faktoren wie die Erschwinglichkeit von Eigentum, Entfernung zu Mittelzentren, verunglückte Kinder im Straßenverkehr, aber auch die Kriminalitätsrate und Kinderarztdichte gegenübergestellt. Im Gesamtergebnis ist der Rhein-Kreis abgeschlagen auf Rang 342. Besonders negativ wirkt sich aus, dass Frei- und Erholungsflächen fehlen.

Als "stark unterdurchschnittlich" wird im Familienatlas der Bildungs- und Ausbildungssektor bewertet. Der Kreis belegt in der Gesamtbetrachtung nur Rang 431, hinter der Stadt Leverkusen und vor Städten wie Solingen, Wesel, Recklinghausen und Bottrop.

Das Schlusslicht ist Kleve. Verglichen wurden unter anderem die Schüler-Lehrer-Relation, Klassengrößen in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I, aber auch die Ausbildungsplatzdichte.

Zu übereilten Panikreaktionen sei dennoch kein Anlass, betonte gestern Schulamtsdirektorin Annegret Schulte: "Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen." Nicht selten würden bei solchen Zusammenstellungen Fehler gemacht, Bezugsgrößen blieben im Unklaren. "Kleine Klassen sind nicht entscheidend für guten Unterricht."

Schwer tut sich auch Dr. Frank Lorenz, Geschäftsführer der Abteilung Ausbildung bei der IHK Mittlerer Niederrhein, mit dem Zahlenwerk, das den Kreis bei der Ausbildungsplatzdichte auf den Platz 309 verweist.

Gerade Neuss sei im regionalen Vergleich in positiver Hinsicht Spitzenreiter und verzeichne die größten Lehrstellenzuwächse. Prognos stütze sich auf Angaben der Arbeitsagenturen, was aber zu falschen Rückschlüssen führe, denn: "Es gibt keine Meldepflicht der freien Plätze bei den Agenturen", so Lorenz.

Für Landrat Dieter Patt (CDU) ist das schlechte Abschneiden des Kreises im Bildungs-/Ausbildungsbereich ebenfalls "unverständlich". Er gewinnt dem Ranking insgesamt aber ein positives Bild ab, denn: Zwar schneide Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern negativ ab, innerhalb des Landes stehe der Rhein-Kreis jedoch sehr ordentlich da: "Eine Potenzialregion!"

Die Kinder- und Familienpolitik - Stichwort "Familienkarte" - trage Früchte, zudem seien die Projekte der Gesundheitsprävention bei Kindern beispielhaft. Letztlich, so der Landrat, hänge doch wieder vieles von der Wirtschaft ab. Der Kreis sei ein starker Standort: "Und das kommt auch den Familien zugute."

Während Rainer Thiel seitens der SPD-Fraktion die durchschnittliche Gesamtbewertung des Rhein-Kreises "nicht verwunderlich" findet, da familienpolitische Defizite schon in der Vergangenheit benannt worden seien, sieht es CDU-Fraktionsvorsitzender Lutz Lienenkämper ähnlich wie Patt. Die Prognos-Wertung als Region mit Potenzial sei eine Anerkennung bisheriger Politik und Ansporn, diesen Weg weiter zu gehen.

(NGZ)
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