Nachschlagewerk für Einsteiger in klassische Musik Mit dem Mut zur subjektiven Auswahl

Eckhardt van den Hoogen ist ein mutiger Mensch: Er hat Mut zur Lücke. Doch, wer ein "ABC der klassischen Musik" auf rund 350 Seiten unterbringen will, der muss auswählen. Van den Hoogen beweist aber auch ein zweites Mal Mut: Mut zum eigenen Geschmack.

Dieser eigene Geschmack "entscheidet schließlich darüber, ob man einer künstlerischen Sache mit Vorbehalten, Feindseligkeit, Langeweile, Interesse oder gar Begeisterung entgegentritt", schreibt der Autor des Lexikons mit dem Untertitel "Die großen Komponisten und ihre Werke." Mit seinem "ABC der klassischen Musik" wendet sich van den Hoogen ausdrücklich an den musikinteressierten Einsteiger. Nachdem nun Familie und Schule als Vermittler bürgerlicher Kunstsinnigkeit und Bildung vielfach ausfallen, ist das vorliegende Lexikon ein ebenso hilfreiches wie kurzweiliges Hilfsmittel.

Es hat etwas von einem Sampler an sich - eine Aneinanderreihung von verschiedenen Werken also, die allerdings im Bereich der so genannten ernsten Musik eigentlich verpönt ist. Doch die unglückliche Unterscheidung von "Ernst" und "Unterhaltung", die auf dem deutschen Kulturbetrieb wie ein Fluch lastet, ist die Sache van den Hoogens nicht. Er möchte sich dem Sujet "spielerisch" nähern. Denn: "Wer glaubt, man müsse der edlen Materie in Gemessenheit und Würde begegnen, mag das gerne tun; er soll aber nicht die Nase rümpfen, wenn andere andere Wege suchen und beschreiten: Schließlich wird sogar die ernsteste Musik gespielt ... "

Allerdings bricht auch der Grevenbroicher van den Hoogen, der 1951 geboren wurde, nicht gerade aus der Tradition der Musikgeschichte aus. Das Buch ist keine Provokation, sondern der gelungenen Versuch, dem Leser einen ersten Überblick über Leben und Werk der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte zu geben. Mit allen Vor- und Nachteilen, die die Kürze nun einmal mit sich bringt. Natürlich setzt der studierte Musikwissenschaftler Schwerpunkte. Den größten bei Wolfgang Amadeus Mozart, dem er einschließlich Bebilderung 13 Seiten widmet. Beethoven muss dagegen mit vier Seiten auskommen.

Obwohl er sich für Mozart viel Platz und Zeit nimmt, bleibt seine Betrachtung gerade hier unangenehm unvollständig. So teilt der Autor zwar mit, dass Mozarts Gegner die Aufführung der "Entführung aus dem Serail" zu verhindern trachteten; den Grund für den untauglichen Versuch Antonio Salieris und anderer nennt er jedoch nicht. Alle großen Namen der Musikgeschichte werden aufgeführt - in Artikeln, die sich in zwei Kategorien aufteilen. Zunächst erfährt man Biographisches über den jeweiligen Komponisten, dem schließt sich eine Aufzählung der wichtigsten Werke an.

Bei Bach beispielsweise: "Einen besonderen Rang nimmt die große Messe h-moll ein, ein ,katholisches" Werk eindeutig werbenden Charakters: Mit der neben Ludwig van Beethovens ,Missa solemnis' ausgedehntesten Vertonung der lateinischen Liturgie wollte Bach den sächsischen Kurfürsten auf sich aufmerksam machen", heißt es und über das Beethoven-Werk erfahren wir, dass es für die Inthronisation eines Erzbischofs gedacht war und immerhin eine Länge von anderthalb Stunden aufweist. Die Messe hätte also wohl mehr als drei Stunden gedauert, wenn - ja, wenn die Komposition rechtzeitig abgeschlossen worden wäre.

Hier und da haben sich kleine, wenn auch ärgerliche Fehler eingeschlichen. Zum Radetzky-Marsch von Johann Strauß Vater zum Beispiel schreibt van den Hoogen beispielsweise, dass wohl kein "Silvesterkonzert" der Wiener Philharmoniker ohne ihn auskomme. Was spielen die Wiener dann bloß bei ihrem traditionellen Neujahrskonzert? Überaus hilfreich ist das Glossar der Musikfachbegriffe im Anschluss an den ersten Teil des Buches. Von "accelerando" (beschleunigend) bis "Zyklus" erfährt man viel Wissenswertes. Dem Buch sind zwei CDs mit einer Musikauswahl beigefügt. Carsten Greiwe

Eckard van den Hoogen: "ABC der klassischen Musik", Eichborn-Verlag, 358 Seiten, 22,90 Euro

(NGZ)
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