Natur- und Landschaftserlebnisse Mein Freund, der Baum

Natur- und Landschaftserlebnisse · Streifzug Natur- und Landschaftserlebnisse im Rhein-Kreis Neuss (8. Folge) Den Jahrhunderten getrotzt: Von Grünen Riesen, Naturdenkmalen und der größten Eibe Deutschlands

Rhein-Kreis Neuss Der beabsichtigte Besuch bei Willy und Wilma gestaltet sich als schwierig. Durch dichtes, mit Dornen bewehrtes Gesträuch, Brennnesseln, Farne und über morsche Äste muss man sich seinen Pfad zu den beiden Solitären im Pappelwald bahnen, die unter den anderen Bäumen wegen ihrer Dicke und Größe herausragen.

"Das ist Willy", sagt Dr. Georg Waldmann nach dem Zickzack-Kurs durchs Unterholz. "Diese Pappel stand lange Zeit ganz allein." Bis heute ist dem in einem Waldgebiet am Unterlauf des Jüchener Bachs wurzelnden Baumriesen die einstige Dominanz anzumerken. Möglicherweise handelt es sich um eine der selten gewordenen Schwarzpappeln. Die Höhlen im mächtigen Stamm deuten darauf hin, dass sich hier schon Spechte zu schaffen gemacht haben. Kurzum: ein Baum mit Geschichte. Die Suche nach Wilma bleibt indessen erfolglos. Zu schnell verliert man im Gewucher die Orientierung.

Aber warum eigentlich Willy und Wilma? Das sei einer Laune heraus entsprungen, sagt Waldmann, auf den wegen seiner Ortskenntnisse das geflügelte Wort durchaus zutreffen könnte, jeden Baum tatsächlich mit Namen zu kennen. Jedenfalls weiß der Biologe um viele stattliche, mitunter fast unbekannte Einzelexemplare, die so viel Charakter haben, dass sie ein Name durchaus schmücken würde.

Ein knorriger Spindelstrauch am Waldrand beim Kaarster Ortsteil Linning ist so ein Beispiel. Wegen seines Alters längst zu einem wenn auch krummen und buckligen Baum geworden, hält Waldmann ihn für würdig, als Naturdenkmal besonders geschützt zu werden. "So etwas findet man nur, wenn man querfeldein läuft", meint er zu diesem Methusalem, der unscheinbar seit Generationen vor sich hin wächst.

Der Ruf der Bäume führt auch zum Hoppbruch bei Haus Horst unweit von Liedberg-Steinhausen. Der Auftritt des Giganten ist beeindruckend: Gerade wie eine Säule ragt der Stamm mit einem Umfang von gut vier Metern in den Himmel. "Das ist die größte Eiche, die es hier in der Umgebung gibt", sagt Waldmann über den nach wie vor sehr vitalen Giganten, der in der Vergangenheit ebenfalls eine ganze Weile als Solitär gestanden haben muss und als Naturdenkmal geschützt ist.

Allein im Rhein-Kreis Neuss sind derzeit 115 Naturdenkmale ausgewiesen, wobei der Begriff auf Flächen bis fünf Hektar Größe angewandt wird, die laut Gesetz als "Einzelschöpfungen der Natur" vor Schaden bewahrt werden sollen. "Naturdenkmale werden über den Landschaftsplan festgesetzt", erläutert Volker Große vom Planungsamt des Rhein-Kreises Neuss in Grevenbroich. Für die Pflege und Betreuung dieser Landschaftsmarken ist der Kreis zuständig. Große erklärt, welche Kriterien eine Unterschutzstellung bedingen: Neben wissenschaftlichen, natur- und erdgeschichtlichen sowie landeskundlichen Gründen gelten auch Seltenheit, Eigenart und Schönheit als Maßstäbe.

Bei Butzheim beispielsweise hat sich ein teils bewachsener, teils offener, bis zu acht Meter tiefer Löss-Hohlweg erhalten, der von der höher gelegenen Mittelterrasse in die Niederung führt und sich durch jahrhundertelange Befahrung nach und nach ausgeprägt hat. Als bedeutendstes Naturdenkmal im Rhein-Kreis nennt Große hingegen die ein Kilometer lange Esskastanienallee bei Schloss Dyck: "Die ist ganz herausragend." Die Allee verbindet Dyck mit dem Nikolauskloster und wurde 1811 und in Folgejahren gepflanzt. Die Entstehung fällt in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts, als Fürst Joseph von Salm-Reifferscheidt-Dyck mit dem von Thomas Blaikie gestalteten englischen Landschaftsgarten die Grundlagen für die spätere Berühmtheit des Dycker Schlossparks legte. Seit 1993 ist die Esskastanienllee ein Naturdenkmal, wegen Astbruchgefahr wurde 1996 aus Sicherheitsgründen das gesamte Areal allerdings abgesperrt.

Der Dycker Park wartet mit vielen Superlativen auf, darunter die größte Eibe Deutschlands. Dr. Georg Waldmann, der im Rahmen des "Grünen Klassenzimmers" Erkundungen durch das dortige Pflanzenreich anbietet, geht zielgerichtet auf das monströse Exemplar zu, das es auf einen Umfang von 110 Metern bringt. Wie eine Glucke "hockt" der Baum auf einer Wiese. Die Eibe lässt sich begehen: Durch das Gezweig betritt man das Innere. In der Mitte befindet sich der Ursprung, von dem aus Äste abgehen, die sich bis zum Boden abgesenkt haben, ihrerseits Wurzeln schlugen und so einen Kranz um den Mutterbaum gebildet haben.

Ein englischer Landschaftspark umgibt auch Haus Meer. Dort, im Norden des heutigen Kreisgebiets, legte Joseph Clemens Weyhe, Hofgartendirektor in Düsseldorf, 1865 im Auftrag von Friedrich Johann Freiherr von der Leyen zu Bloemersheim das Areal an, in dem fünf Baumriesen — drei Blutbuchen, ein Bergahorn und eine Platane — ins Auge fallen. Während die von Weyhe gepflanzten Bäume ein Alter von 144 Jahren und dementsprechende Ausmaße haben, rund 30 Meter hoch sind und über vier Meter im Umfang messen, stammt die Platane nach Auskunft von Herbert Jacobs, Vorsitzender des Fördervereins Haus Meer, noch aus der Zeit des Klosters Meer vor 1802: "Sie hat geschätzte 280 Jahre auf dem Buckel und gehört laut Gartenspezialisten zu einem der dicksten Baumriesen im Rheinland."

(RP)
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