Düsseldorf/Neuss Märchen – zwischen Nostalgie und Klischee

Düsseldorf/Neuss · In den alten Erzählungen wie bei Disney beispielsweise tauchen oftmals Stereotype und Klischees auf. Was Märchenerzählerinnen darüber denken.

 In den alten Erzählungen tauchen Stereotype und Klischees auf. (Symbolbild)

In den alten Erzählungen tauchen Stereotype und Klischees auf. (Symbolbild)

Foto: dpa/Paul Zinken

In Düsseldorf findet derzeit die Märchenwoche statt – dass Märchen häufig voller Klischees stecken, verraten die Märchenerzählerinnen Franziska Fabula und Sarah Binias, die darüber hinaus unter anderem Regie am Theater am Schlachthof (TaS) führt.

Der Ablauf von Disney-Märchen ist zum Beispiel leicht zu durchschauen: Die Prinzessin gerät in eine missliche Lage, ein Prinz eilt ihr zur Seite, sie verlieben sich – Happy End. Dass die Vorlagen aber keineswegs so verblümt und glücklich sind, lässt sich in den Originalfassungen der Brüder Grimm oder Hans Christian Andersens nachlesen. Jede Version unserer Lieblingsmärchen sind ein Spiegel der Zeit. 30-jähriger Krieg, Hungersnot und Armut als Grundlage für Grimm und Andersen, feste Geschlechterrollen und Flucht aus der Nachkriegszeit in den Cartoons aus Walt Disneys Feder.

Dass die alten Geschichten oft Stereotype aufweisen merke auch Sarah Binias, die selbst Mutter ist. „Das möchte ich meinen Kindern ungern vermitteln“, sagt sie. Zwar findet sie es nicht schlimm, Märchen auch traditionell zu erzählen. Immerhin würden sie mit etwas Positivem und mit Nostalgie verbunden. „Diese Erinnerung ist sehr berechtigt“, findet die Düsseldorferin. Doch erzählt sie selbst Märchen, die eine originelle Wendung haben, darunter beispielsweise eine Abwandlung vom Froschkönig. „Die Prinzessin möchte den Frosch aber nicht küssen. Sie merkt, dass sie allgemein gar keine Frösche küssen mag“, erzählt sie. Überhaupt gibt es einige Märchen, die in die Gegenwart geholt wurden. Ein bekanntes Beispiel aus dem Hause Disney+ ist die Neuverfilmung von Rapunzel. Das Grundgerüst blieb bestehen, doch ist es Rapunzel selbst, die sich rettet. Auch im Theater am Schlachthof (TaS) war erst kürzlich eine Rapunzel-Version von Julia Joachmann (Regie: Jens Spörckmann) zu sehen, bei der klassische Rollenbilder über den Haufen geworfen wurden. „Die Präferenzen von Zuschauern gehen in verschiedene Richtungen“, sagt Franziska Fabula, die seit 2013 als Märchenerzählerin arbeitet, seit vergangenem Jahr sogar hauptberuflich. Viele ihrer Zuhörer sind nostalgisch, halten die Rollenbilder in den Märchen aber für veraltet. Andere wollen gerne die Klassiker hören, „das mache ich aber zunehmend ungern“, berichtet Fabula. Sie erzähle gerne Märchen mit starken Frauenfiguren, ohne natürlich das Männerbild schmälern zu wollen: „Alle sollen untergebracht werden.“

Sie und Binias begrüßen aber auch, die wachsende Diversitätt in Märchen. Das, was Märchen beibringen sollen, braucht keine Stereotype, der Kern bleibe der wahre Kern, so Fabula. Am typischen Aufbau eines Märchens würde sich auch nichts ändern oder an der märchenhaften Sprache. Das Wichtigste, so sagen sie und Sarah Binias, sei: Je mehr Vorbilder geschaffen werden, desto mehr Kinder würden sich repräsentiert fühlen. „Es kann die Gesellschaft zusammenführen, wenn sich nicht nur eine Gruppe repräsentiert fühlt“, resümiert Fabula.

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