„Blue in Green“-Reihe in Neuss Kunstvoller Klangteppich

Neuss · Philipp van Endert spielte am zweiten November-Wochenende das letzte „Blue in Green“-Konzert 2022 in der Alten Post. So ist es gewesen.

Bei einem Urlaub im Südwesten Frankreichs sei ihm vor ein paar Jahren die Idee für das Stück „Cartouche“ gekommen, erzählte Philipp van Endert am Anfang seines Konzerts in der Alten Post. Die Musik habe so einen tänzerischen Impuls und leisen Humor zugleich, so der Gitarrist weiter, und ihn deshalb an den Mantel-und-Degen-Film gleichen Namens mit Jean-Paul Belmondo in der Rolle des Räubers Cartouche vor 60 Jahren erinnert.

Diese beiden Attribute zeichnen zudem sein aktuelles Trio mit dem Trompeter und Flügelhornisten Christian Kappe und dem Bassisten André Nendza aus, weshalb er also auch einen passenden Namen für seine Band gefunden hatte. Mit „Cartouche“ wurde dann das Konzert dieses Trios eröffnet, das das letzte in diesem Jahr in der von van Endert kuratierten Reihe in der Alten Post, „Blue in Green“, gewesen ist. Doch wäre es zu einfach, den dynamisch so ausdifferenzierten Sound dieses kammermusikalisch ausgerichteten Trios und die Art und Weise des Zusammenspiels und der Interaktion der drei Protagonisten ausschließlich auf diese beiden Zuschreibungen zu reduzieren.

Denn „Cartouche“ ist mehr als nur tänzerisch und humorvoll sein zu wollen. Es zeigt sich gleich am Anfang, wieviel Raum es braucht, um luftige Melodieketten und luzide Akkordflächen ausbreiten und vor dem Publikum entwickeln und durchführen zu können. Zugleich ist Jazz eine Musikgattung, deren historische Verwurzelung in der afroamerikanischen Kultur man auch und gerade als Musiker aus Europa stets mitzudenken hat. Rhythmisch basiert „Cartouche“ wohl deshalb auch auf dem triolischen Impuls des Swing, der dem kammermusikalischen Jazz dieser drei Freunde Drive und Dynamik gibt.

Der Rahmen ist also gesteckt für die Improvisationsmusik des Cartouche-Trios, aus der sich im Konzert eine einmalige Klang-Performance entwickeln sollte. Erst im freien Spiel der improvisatorischen Kräfte entsteht ein kunstvoll geknüpfter Klangteppich, für den van Endert, Kappe und Nendza verantwortlich sind. Ihre wie Girlanden gesponnenen Motive werfen sie weit in den akustischen Raum, dort mäandern diese scheinbar ziellos herum, um sich plötzlich wie zufällig zu Klangknoten zu verdichten, die aber sofort wieder zum Auslöser für neue Melodiefäden werden.

Dabei entstehen wie von selbst eine schillernde Farbenpracht und leuchtende Strahlkraft, die dem Cartouche-Teppich seine sinnfällige Schönheit geben. Aber erst, wenn Kappe seinen klaren Ton auf der Trompete durch Growls aufraut, wenn van Endert den Sound seiner Gitarre verzerrt und Nendza auf dem Kontrabass mit leise fiependen Flageolett-Tönen experimentiert, zeigt sich, warum die gemeinsam gestaltete Musik so schön ist: Es ist die Suche nach der „einzig wahrhaftigen“ Melodie, die den Weg zeigt zum wahren Selbst dieser drei Musiker.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort