Kultur in Neuss Eine Prise Lokalpatriotismus und sehr viel Fernweh

Neuss · „Hafenklänge“ heißt ein Programm im Theater am Schlachthof, in dem Markus Andrae, künstlerischer Leiter, Sehnsüchte und Erinnerungen weckt.

 Markus Andrae präsentiert seine „Hafenklänge“.

Markus Andrae präsentiert seine „Hafenklänge“.

Foto: Judith Look

Schon seit längerem träumt Markus Andrae von einer Neusser Millenniums-Party. Mit einer Riesensause sollte die Stadt feiern, dass ihr Hafen 1000 Jahre auf dem Buckel hat. Als der künstlerische Leiter des Theaters am Schlachthof merkte, dass die Pandemie dem Jubiläum einen Strich durch die Rechnung machte, wurde er aktiv. „Hafenklänge“ heißt ein Abend an der Blücherstraße, der mit klug ausgewählten Texten und Liedern eine Prise Lokalpatriotismus mit sehr viel Fernweh verbindet.

Auf der Bühne leuchtet das Meer als blauer Vorhang. Davor zwei Gitarren, eine Quetschkommode, ein Hocker und ein Pult. Dort treffen in einer guten Stunde allerlei Sänger, Chansonniers und Textkomponisten aufeinander. Sie erzählen von stolzen Schiffen, von rauhen Stürmen, vor allem aber von der unstillbaren Sehnsucht der Menschen nach der Ferne, wo die Welt so anders ist als am Pier des Heimathafens. Otis Reddings „Sittin‘ on the dock of the Bay“ ist das erste von Andrae gesungene Lied des Abends. Noch schöner klingt Jacques Brels „Amsterdam“, wenn der belgische Chansonnier in Form eines Crescendo das teilweise wüste Treiben der Matrosen auf Landgang im Rotlichtviertel der niederländischen Hauptstadt beschreibt.

Udo Lindenberg führt dann aus dem Neusser in den Hamburger Hafen: „Nichts haut einen Seemann um“ heißt der Song. Es geht um eine jener typischen Hafenkneipen, von denen es früher so viele gab. Dort sitzt ein alter Kapitän mit einem Glas Rum: „Er träumt von seinen guten Tagen, da konnt‘ er zehnmal mehr vertragen.“ Dann aber kommt Walter Moers an die Reihe, und mit ihm eine Art Höhepunkt des schönen Nostalgie-Abends. In „Die 13einhalb Leben des Käptn Blaubär“ wird von „Tratschwellen“ geflunkert, die im Stillen Ozean mit ihrem ständigen Gequatsche für Stimmung sorgen. Opulente Lügnereien, die einen Baron Münchhausen zum Erröten brächten. Markus Andrae machte mit seinem Programm „klar Schiff“. Dazu gehört auch ein Text von Fernando Pessoa. In der poetischen „Meeresode“ sitzt der Ich-Erzähler an einem Morgen einsam am Quai in Lissabon und versinkt beim Anblick eines Postschiffes am Horizont rauschhaft ins Seefahrerleben. Wo aber bleibt Freddy Quinn? Nix da, meint Andrae, der sei nur Wahl-Hamburger. Dafür aber ein furioses Finale mit dem unvergesslichen Hans Albers und „La Paloma“.

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