Für die Rübenaussaat wünschen sich die Landwirte im Kreis Neuss keinen Regen Kassandra und Flora mögen es am liebsten trocken

Von Friedhelm Ruf

Ob Kassandra oder Flora, ob Wiebke oder Tatjana: Alle mögen es am liebsten trocken. Die wohlklingenden Namen dürfen Pflanzen tragen, die den Kreis Neuss prägen: Zuckerrüben. Eigentlich hätten die Rübensamen schon in der Erde sein müssen. Doch derzeit ist es noch viel zu feucht auf den 10.000 Hektar Land, auf denen im Kreis Neuss und in Mönchengladbach die Rübe angebaut wird.

Ob der Boden für die Aussaat geeignet ist, kann mit einem ganz einfachen Test festgestellt werden. Dr. Juliane Wahode vom Bongartzhof bei Röckrath und der Ackerbauberater der Landwirtschaftskammer, Ulrich Timmer, zeigten gestern, wie das geht: mit der Spatenprobe nämlich.

Wenn es nämlich auf Spatentiefe noch sehr feucht ist, bedeutet die Rübenaussaat ein Risiko. Kreislandwirt Wolfgang Wappenschmidt ist dieses Risiko bereits vor zwei Wochen eingegangen, sein Kollege Franz-Georg Wenner vom Gehlenhof in Epsendorf wartet noch. Viel Zeit hat er nicht mehr, denn der Aussaat-Termin für Rüben ist in der Regel zwischen dem 20. März und dem 10. April.

Die Ernte erfolgt dann von Mitte September bis Ende November, bis Weihnachten können die Rüben zur Zuckerfabrik gebracht werden. Doch bis dahin ist noch viel Zeit. "Die Rübe ist für unsere Betriebe die wichtigste Kultur. Sie macht fast die Hälfte des Einkommens aus", sagt Wolfgang Wappenschmidt. Die Landwirte hoffen, dass dies noch lange so bleibt. Mit der Zuckerordnung der Europäischen Union können sie leben, auch wenn über die bisher geregelten Quoten diskutiert wird.

Die Quotenregelung sieht vor, dass es unterschiedliche Preise für bestimmte Mengen an Rüben gibt. Jeder Betrieb hat dabei eine Grundquote (A-Quote). Insgesamt dürfen bei dieser Grundquote nicht mehr als 11,2 Millionen Tonnen Weißzucker in der EU produziert werden. Für den Doppelzentner bekommt der Bauer derzeit etwa 9,14 Mark. Meist wird aber mehr produziert.

Das ist dann zu einem geringeren Preis (derzeit zirka 5,64 Mark pro Doppelzentner) mit der B-Quote geregelt. Wer noch mehr produziert, muss die Rüben über die C-Quote zu Weltmarktpreisen verkaufen, derzeit sind das etwa 63 Pfennig für den Doppelzentner. "Ein Quadratmeter Rüben bringt etwa ein Kilogramm Zucker", rechnet Ulrich Timmer vor. Da im Kreis und in Mönchengladbach auf 10.000 Hektar angebaut wird (ein Hektar sind 10.000 Quadratmeter), werden im Bereich der Kammer insgesamt 100.000 Tonnen Zucker produziert. Den Rübensamen mit den wohlklingenden Sortennamen bekommen die Landwirte von der Zuckerfabriken.

Die Samenkörner sind bunt, je nach Hersteller in einer anderen Farbe. Sie sehen aus wie Liebesperlen. Das bunte ist aber für Insekten gefährlich, die erst gar nicht an den Keim herankommen. Für einen Hektar werden zirka 110.000 dieser kleinen Perlen gesät. Daraus wachsen 80.000 bis 90.000 Rüben, was der Fachmann Wolfgang Wappenschmidt mit "70 bis 80 Prozent Feldaufgang" bezeichnet. "Im Jugendstadium sind die Rüben empfindlich", sagt Ulrich Timmer.

Und dafür sorgen auch Mäuse und Schnecken, die sich Samenkorn oder junge Pflanze schmecken lassen. "Wir säen um das Rübenfeld herum Getreide- und Sonnenblumenkerne, als Ablenkung für Mäuse", erläutert Dr. Juliane Wahode. Wenn das Pflänzlein nach gut einer Woche ans Licht kommen, dann dauerte es früher nicht lange, bis ganze Bauernfamilien mit Hacken über das Feld gingen, um die Rüben zu "einzeln".

Das ist heute nicht mehr nötig. Denn früher kamen aus einem Samenkorn zwei bis drei Pflanzen, heute nur noch eine. Auch Wildkräuter, die das Rüben-Wachstum behindern, werden inzwischen mit nur wenig Chemie bekämpft. "Heute geschieht der Spritzmittel-Einsatz zielgenau", sagt Ulrich Timmer. Was brauchen die Pflanzen sonst noch?

"Eine gute Verteilung von Niederschlägen und Sonne", sagt Franz-Georg Wenner. Gute Zuckererträge gibt es vor allem dann, wenn ab Peter und Paul (29. Juni) oft die Sonne scheint. Rüben werden nur alle drei bis vier Jahre auf der gleichen Parzelle angepflanzt. In den Jahren dazwischen gedeihen dort Kartoffeln oder Weizen, Fruchtfolge nennt man das. Wo nun aber Rüben wachsen sollen, muss es jetzt erst einmal trocken werden.

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