Ökumenische Telefonseelsorge Immer mehr Anrufer leiden unter großer Einsamkeit

Ökumenische Telefonseelsorge · Von Carina Wernig

Von Carina Wernig

Obwohl wirtschaftliche Verbindungen schnelle Kontakte über Kontinente hinweg erlauben, leiden immer mehr Menschen unter privater Einsamkeit, wie Barbara Keßler beobachtet hat. Die Leiterin der Telefonseelsorge für das Gebiet des Rhein-Kreises Neuss hat "Vereinsamung" als zweiten Hauptanlass der 16.691 Anrufe im Jahr 2002 ausgemacht - an erster Stelle liegen weiterhin Partnerschaftskonflikte. Barbara Keßler bildet Ehrenamtler für die Telefonseelsorge aus. NGZ-Foto: A. Woitschützke

Nach der explosionsartigen Entwicklung der Anrufzahlen, die sich fast verdoppelt hatten - von etwa 9.000 bis 10.000 in den 90-er Jahren nach der Handy-Zuschaltung auf 18.676 im Jahr 2001 - gab es im vergangenen Jahr einen Rückgang um fast 2.000 Anrufe. Doch die Nachfrage war nicht geringer, wie Barbara Keßler erläutert: "Das liegt an der künstlichen Verknappung der Handy-Zuschaltung."

Weiterhin rufen am meisten Kinder und Jugendliche an, gefolgt von der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen und der 40- bis 49-Jährigen. Als Hauptanliegen nennen die Anrufer nach Partnerkonflikten und Einsamkeit am meisten Konflikte in der Familie und psychische Erkrankungen. "Bei den Jugendlichen ist der Anteil der ernsthaften Gespräche auf ungefähr ein Drittel gestiegen", weist die Leiterin der Ökumenischen Telefonseelsorge darauf hin, dass die Spaß- und Test-Anrufe - "Viele sind aggressiv am Telefon, brauchen einen Sparringspartner zum Kräftemessen", so Keßler - durchaus noch in der Mehrzahl bei den unter 19-Jährigen sind.

Bei den Problemen klagten die jungen Anrufer 2002 vor allem über Gewalt und Angst - ob als sexueller Missbrauch, Gewalt in der Familie, Angst und Unsicherheit in der Schule, aber auch in Freundschaft und Sexualität. "Vielen Jugendlichen sind Beziehungen und Partnerschaften völlig unklar, so dass sie sich nicht trauen, diese Fragen im Freundes- oder Familienkreis zu stellen", erläutert Barbara Keßler die Beliebtheit der Telefonseelsorge: anonym, vertraulich, kostenlos.

Vereinsamung und Alleinlasssen der Jugendlichen seien gesellschaftliche Probleme, die verstärkt auftauchten. Um den Ansturm der Anrufer bewältigen zu können, sucht die Ökumenische Telefonseelsorge Neuss weitere Mitarbeiter, die ehrenamtlich für andere Menschen und ihr Schicksal tätig werden möchten. Zurzeit sind 50 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Insgesamt werden jedoch 80 Mitarbeiter benötigt, so dass im März eine neue Ausbildungsgruppe für Frauen und Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren startet.

Gesucht werden Menschen, die zuhören können, Interesse an anderen und deren Lebensweg haben, belastbar und zuverlässig sind. "Trotz der großen Belastung gibt die Arbeit den Ehrenamtlichen auch viel zurück", erläutert Barbara Keßler, die seit 1. Januar von Barbara Edelmann hauptamtlich bei der Ausbildung, Fortbildung und Begleitung unterstützt wird. "Diese halbe Stelle ist durch Zuschüsse der katholischen und evangelischen Träger, der Stadt und des Kreises Neuss ermöglicht worden", sagt Barbara Keßler.

Die Telefonseelsorge Neuss ist kreisweit unter der bundesweit einheitlichen, kostenlosen Telefonnummer 0800/1110111 zu erreichen. Informationen zum ehrenamtlichen Engagement als Mitarbeiter sind von 11 bis 15 Uhr unter der Rufnummer 02131/ 23575 zu erhalten.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort