Theorie und Praxis Hoffnungsvoller Berufsstart am Siemens-Kolleg

Damian Strys hat gerade stressige Zeiten – er steckt mitten in der Prüfung für sein Fachabitur. Parallel absolviert er bei Siemens eine Ausbildung als Elektroniker für Automatisierungstechnik.

 Damian Strys überwacht die Steuerung elektronischer Motoren am Bildschirm.

Damian Strys überwacht die Steuerung elektronischer Motoren am Bildschirm.

Den Zugang fand er über das Berufskolleg für Informations-, Kommunikations- und Automatisierungstechnik, das Siemens im neuen Ausbildungszentrum in der Airport City am Düsseldorfer Flughafen aufgebaut hat. Das Berufskolleg ist eine der beiden Fakultäten, die die Bildungseinrichtung beherbergt. Daneben ist dort auch die technische Ausbildung angesiedelt. Die hoffnungsfrohe Karriere, die Damian Strys gerade startet, zeigt, welche Wege den Schülern des privaten Berufskollegs offenstehen. "Wir wollen Jugendliche mit Hauptschul- oder Realschulabschluss fit für eine qualifizierte Berufsausbildung machen", beschreibt Guido Mandorf, Leiter des Berufskollegs, die Zielvorgabe.

Die Bildungseinrichtung vermittelt ihren Schülern eine berufliche Grundbildung, mit der sie leichter einen regulären Ausbildungsplatz finden. Wer von der Realschule kommt, besucht das Kolleg ein Jahr, Hauptschüler kommen zwei Jahre, in denen sie auch den Realschulabschluss machen können. Darunter sind immer wieder Kandidaten, die vorher mal Pech hatten oder zunächst keinen guten Start ins Berufsleben fanden.

Mandorf kennt Beispiele von Hauptschülern, die sich um einen Ausbildungsplatz beworben hatten, aber mit Abiturienten konkurrierten. Andere hatten die Schule abgebrochen oder ein schlechtes Zeugnis bekommen. Es sind auch Bewerber bei Siemens dabei, die zunächst keine Lehrstelle bekamen und das Kolleg als Einstiegschance nutzen, um ihre Qualifikationen zu verbessern und es dann vielleicht in einem zweiten Versuch zu schaffen.

Ihnen ist gemeinsam, dass sie das Zeug für eine Lehre haben. "Alle Kandidaten müssen den Siemens-Eignungstest bestehen", betont der Kolleg-Leiter. "Wir wollen schon auf ein vorhandenes Niveau aufbauen und nicht bei Null anfangen müssen." Die Ausbildung verschafft den Kolleg-Schülern gute Chancen am Arbeitsmarkt. "Wir haben eine Vermittlungsquote von 90 Prozent", sagt Mandorf. Die Absolventen erhalten ein staatlich anerkanntes Zeugnis. Sie können zudem zusätzliche Qualifikationen erwerben, die ihnen zertifiziert werden.

Jedes Jahr beginnen 48 Realschüler ihre einjährige Ausbildung; 18 Hauptschüler starten jährlich in die Zweijahres-Maßnahme. Sie lernen Praktisches und Theoretisches, erwerben technische und kaufmännische Kenntnisse. "Es ist quasi eine Querschnitt-Ausbildung, die Einblick in viele verschiedene Gebiete gewährt", erklärt Mandorf. Die Inhalte decken sich zum Teil mit denen des ersten Jahres einer regulären Ausbildung.

"Dabei geht es nicht nur um Wissensvermittlung", sagt der Leiter des Berufskollegs, "wir wollen auch fachpraktische Fertigkeiten weitergeben." Das gehe am besten in Projekt- und Gruppenarbeit, weniger gut im klassischen Frontalunterricht. Die Kollegschüler sollen die Arbeit ganzheitlich begreifen und deshalb in Projekten Arbeitsprozesse von ihrem Beginn bis zum Abschluss begleiten. Das heißt: Wenn einer zum Beispiel eine Programmierungsaufgabe bekommt, dann soll er gemeinsam mit seinen Projektpartnern auch errechnen, wie viele Stunden zu kalkulieren sind und was die Hardware kostet. "Jeder beteiligt sich so mit seiner spezifischen Aufgabe am gesamten Projekt und lernt durch den Zusammenhang den Sinn der einzelnen Tätigkeiten kennen", beschreibt Mandorf den Vorteil dieser Methode.

Sie läuft nach dem Motto: fordern und fördern. Die Schüler sehen Erfolge, sind dadurch hoch motiviert. Dennoch müssen manche hin und wieder an die Spielregeln erinnert werden. Dazu gehört zum Beispiel pünktliches Erscheinen und aktive Mitarbeit. Wer dies partout nicht will, kann auch vom Kolleg fliegen – es ist ja eine private Einrichtung.

Dass Siemens sie trägt, hat einige Vorteile. So gibt es eine enge Kooperation mit der technischen Ausbildung; Lehrlinge von dort können den Kollegschülern wertvolle Tipps geben. "Was wir hier für und mit den Jugendlichen machen, gibt es in dieser Form Siemens-weit nur einmal in Deutschland, und zwar hier in Düsseldorf", betont Werner Franz, Leiter der Siemens Ausbildung in NRW.

Die Absolventen des Kollegs haben später nicht nur deshalb gute Chancen, weil Siemens dort seinen Fachkräfte-Nachwuchs sichert. Der Name hilft auch bei Bewerbungen bei anderen Unternehmen. Entsprechend begehrt ist die Ausbildung. Die Kollegschüler kommen teils von weit her, aus dem Ruhrgebiet zum Beispiel.

Seit fünf Jahren gibt es das Berufskolleg. Mandorf sieht die bislang erfolgreiche Arbeit auch als Beleg dafür, dass Jammern nicht hilft – weder den Jugendlichen noch der Wirtschaft. Die einen klagen, sie hätten keine Chance, die anderen beklagen die mangelnde Ausbildungsfähigkeit junger Menschen. "Wir wollen etwas gegen den drohenden Fachkräftemangel tun und zugleich nicht akzeptieren, dass junge Menschen abgeschrieben werden", umschreibt der Leiter des Berufskollegs die Aufgabe, die man schon als gesellschaftlich relevant bezeichnen kann.

JÜRGEN GROSCHE

(NGZ)
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