Rhein-Kreis Neuss Heveling hält "Shitstorm" stand

Rhein-Kreis Neuss · Vor neun Monaten hat der CDU-Bundestagsabgeordnete für Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch, Ansgar Heveling, in einem rhetorisch scharfen Gastkommentar den Freiheitsbegriff der "Internetgemeinde" kritisiert. Heute sagt Heveling: Es hat was bewirkt.

 Ansgar Heveling mit i-Pad und dem umstrittenen gedruckten Artikel – "Es hat sich gelohnt."

Ansgar Heveling mit i-Pad und dem umstrittenen gedruckten Artikel – "Es hat sich gelohnt."

Foto: Archiv

Als der "Shitstorm" über ihn hereinbrach, saß Ansgar Heveling im Flugzeug. Zunächst flog der auch für Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete an jenem 30. Januar 2012 von Frankreich nach München, dann nach Düsseldorf. An diesem Morgen war sein Gastkommentar unter der Überschrift: "Bürger, verteidigt Eure Werte auch im Netz!" im gedruckten "Handelsblatt" erschienen. Heveling (40) wollte einen Weckruf gegen die zunehmende Aufweichung des Eigentumsbegriffs durch das Internet starten.

Als er in München landete, eineinhalb Stunden ohne Handyempfang, hatte die Handelsblatt-Redaktion den Text schon mit einer knackigeren Überschrift ins Internet gestellt: "Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren". Von da an begann im Netz das, was man im Internetdeutsch einen "Shitstorm" nennt. Wenn man das vulgärfrei übersetzen will, sagt man dazu "Sturm der Entrüstung".

Heveling, der die CDU-Bundestagsfraktion als Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" vertritt, war nicht der erste und nicht der letzte Prominente, über den ein Shitstorm hereinbrach — vor wenigen Tagen erst hat Bettina Wulff, Frau des ehemaligen Bundespräsidenten, erfahren, wie es ist, wenn die Entrüstung einen umweht. Ansgar Heveling aber legte sich mit der Netzgemeinde im vollen Wissen an, dass er "Shit" ernten wird.

Als "Büttenrede" wurde sein kleines Manifest im Internet bezeichnet, als "Politiot" musste er sich dort beschimpfen lassen. Und "hevelingen" ist im Internet nun ein Begriff dafür, dass sich jemand im Internet schusselig verhält. Medien wie die Süddeutsche Zeitung kritisierten unterdessen die gewählten martialischen Metaphern des Textes: Heveling schrieb von einem "Endkampf", und davon, dass das Internet einen "Digitalen Maoismus" erzeuge.

Trotzdem sagt Ansgar Heveling, von Hause aus Jurist, heute: "Der Kommentar hat sein Ziel erreicht. Er hat die Aufmerksamkeit auf den Wert geistigen Eigentums und die Urheberrechte fokussiert. Er hat gezeigt, dass die Welt bunter ist." Heveling verweist auf andere Kritiker, die auf ihn folgten, auf die Wutrede des Autors und Sängers Sven Regener (Element Of Crime) im Bayrischen Rundfunk, auf den Offenen Brief von 51 Tatort-Autoren.

Heveling sagt: "Ich nehme für mich nicht in Anspruch, die Initialzündung gewesen zu sein. Die Reaktionen zeigen aber, dass der Gastkommentar Teil eines größeren Diskurses war." Es sei ihm ein Anliegen gewesen, der gefühlten Alleinherrschaft der Netzgemeinde, die für freien Zugang zu allen Daten kämpft, eine Stimme entgegenzusetzen.

Wer den Text des 2009 in den Bundestag eingezogenen Abgeordneten aus Korschenbroich heute liest, der kann zumindest begreifen, warum sich das Internet entrüstet hat. Man kann das als Versuch eines Politikers bewerten, mit einem Thema ins Rampenlicht zu gelangen, wie es Spiegel-Online macht: "CDU-Hinterbänkler trollt die Netzgemeinde", schrieb das Medium noch am 30. Januar 2012. Man kann es aber auch als den Versuch eines Politikers sehen, mit deftigen Worten ein in der realen Welt unpopuläres Thema ins Licht der Öffentlichkeit zu schieben. "Ich habe in den Diskussionen festgestellt, dass die apostrophierte ,totale Internetfreiheit' bis Ende 2011 fast durchweg positiv aufgefasst wurde", sagt Heveling.

Dies sei für ihn der Anlass gewesen, mit einem eigenen Text Position zu beziehen.Der Text ist provokativ: "Denn, liebe ,Netzgemeinde': Ihr werdet den Kampf verlieren. Und das ist nicht die Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers, es ist die Perspektive eines geschichtsbewussten Politikers", schreibt Heveling.

Die digitale Revolution werde ihre Kinder entlassen, das Web 2.0 werde bald Geschichte sein. Heveling setzt zum Rundumschlag an, wirbt dafür, die bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen — "mit ihren Werten von Freiheit, Demokratie und Eigentum". Die Idee des geistigen Eigentums sei in Gefahr, weil die Menschen, die hinter den Maschinen sitzen, "eine andere Gesellschaft wollen".

Hunderte E-Mails hat er seitdem bekommen. "Zwei Drittel waren platte Beleidigungen, ein Drittel sachlicher Art", sagt Heveling. Die Twitter-Einträge habe er gar nicht erst gelesen. Er bilanziert: "Es fällt mir jetzt leichter, bei dem Thema eine Position zu haben. Zur Netzpolitik werde ich jetzt bundesweit eingeladen." Sein Gastkommentar, so merkt er nach neun Monaten, habe ihm ein paar Freunde, aber auch ein paar Feinde mehr in seiner Fraktion gemacht.

Als Technikfeind sahen ihn manche. Dabei ist Heveling selbst Facebook-Mitglied und Besitzer eines iPads. Die wichtigste Feststellung ist die, die Heveling anderen mit auf den Weg gibt, die im Netz ein Shitstorm umweht: "Ich habe festgestellt, dass ein Shitstorm keine unmittelbare Relevanz erzeugt. Das Phänomen Shitstorm wird sich totlaufen."

(NGZ/rl)
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