Ehrenamtler gesucht: Feuerwehr kämpft um Nachwuchs Harakiri-Aktionen nur in Hollywood

Wir sind keine Helden. Mit dem Bild, wie es Hollywood vorzeichnet, haben wir nichts gemeinsam. Bei uns läuft keiner im Unterhemd in die Flammen und rettet sämtliche Opfer - Wolfgang Thuir, Hauptbrandmeister bei der Neusser Feuerwehr, nimmt vermeintlichen Männerträumen den Wind aus den Segeln. "Sicherheit hat oberste Priorität. Harakiri-Aktionen sind nicht unsere Aufgabe. Wenn wir zu einem Einsatzort fahren, haben wir einfach Schiss, genau wie jeder andere auch. Aber wir wissen, was wir gegen die Gefahr ausrichten können." Filmreife Heldenaktionen gibt es nur im Film - bei der "richtigen" Feuerwehr hat Sicherheit höchste Priorität. NGZ-Foto: M. Reuter

Wir sind keine Helden. Mit dem Bild, wie es Hollywood vorzeichnet, haben wir nichts gemeinsam. Bei uns läuft keiner im Unterhemd in die Flammen und rettet sämtliche Opfer - Wolfgang Thuir, Hauptbrandmeister bei der Neusser Feuerwehr, nimmt vermeintlichen Männerträumen den Wind aus den Segeln. "Sicherheit hat oberste Priorität. Harakiri-Aktionen sind nicht unsere Aufgabe. Wenn wir zu einem Einsatzort fahren, haben wir einfach Schiss, genau wie jeder andere auch. Aber wir wissen, was wir gegen die Gefahr ausrichten können." Filmreife Heldenaktionen gibt es nur im Film - bei der "richtigen" Feuerwehr hat Sicherheit höchste Priorität. NGZ-Foto: M. Reuter

Seit 21 Jahren engagiert sich Wolfgang Thuir in der Freiwilligen Feuerwehr und kümmert sich verstärkt um die Ausbildung der Nachwuchskräfte. "Wir müssen um neue Leute kämpfen. Wie bei fast allen Ehrenämtern, leidet auch die freiwillige Feuerwehr unter mangelhaftem Interesse", erklärt Thuir. In der zugigen Halle auf dem ehemalige Gelände eines Autohändlers hat der Löschzug aus dem Neusser Norden sein Zuhause gefunden.

Die ungemütliche Atmosphäre wird durch stinkende und ohrenbetäubende Dieselmotoren nur noch verschärft. Blinkende Totmelder, grelle Stablampen und knarzende Walkie-Talkies runden diesen "beschaulichen" Arbeitsplatz ab. "Diese Übung kommt dem reellen Einsatz sehr nahe. Dem äußeren Stress versuchen wir durch ruhiges und sachliches Vorgehen entgegenzuwirken. Umher rennende Feuerwehrmänner, die sich Befehle entgegenschreien, wären vollkommen unnötig", erklärt Wolfgang Thiele, der mit stoischer Gelassenheit durch die aufreibende Szenerie führt.

Mit schwerem Atemgerät bahnt sich Christoph Zegers den Weg zum Brandherd. Der 20-Jährige gehört zum zweiten Angriffstrupp, der im Notfall den Kollegen zur Hilfe eilt. Schnell bahnt sich der junge Neusser seinen Weg zu dem "verletzten Kameraden", der bereits vom zweiten Mann des ersten Angriffstrupps aus der Gefahrenzone gezerrt wurde. Kurz darauf ist die Übung beendet, und Christoph kann die Maske vom Gesicht nehmen, die Pressluft entweicht mit ungeheurem Druck.

"Ich bin seit 1996 bei der Feuerwehr und habe hier auch neue Freunde kennen gelernt", meint Christoph, der in der Feuerwehr eine sinnvolle Freizeitergänzung gefunden hat. "Man muss einfach ein guter Typ sein und Lust haben, gemeinsam aktiv zu sein. Teamgeist und Kameradschaft sind für uns extrem wichtig." Keine hohen Anforderungen, die Christoph an seine neuen Kameraden stellt. Oder doch? - "Viele merken ziemlich schnell, dass die Feuerwehr sehr viel Zeit frisst und geben auf. Das Feuer nimmt keine Rücksicht auf private Verpflichtungen. Nebenbei noch Schützenzug und Fußballverein, das geht nicht", erklärt Wolfgang Thuir.

Für den Eintritt in die Jung-Feuerwehr muss man mindestens 16 Jahre alt sein. Tanja Thon darf sich als Exot fühlen, ein Mannweib ist sie aber nicht: "Als Frau, darf man sich natürlich vor nichts scheuen, aber ich fühle mich unter den ganzen Männern nicht unwohl." Die 26-Jährige hat gerade ihren TM-2-Lehrgang erfolgreich absolviert und ist somit vollwertige Feuerwehr-Frau. Zwei Jahre dauert die Ausbildung und ist wahrlich kein Zuckerschlecken.

Zunächst wartet ein ausführlicher Gesundheitscheck, danach vier verschiedene Lehrgänge und zu guter letzt der gefürchtete Atemschutzlehrgang. "Natürlich können auch schon vorher Einsätze mitgefahren werden, aber ohne den ersten Lehrgang läuft nichts", sagt Thuir. Mittlerweile ist in der großen Halle wieder Ruhe eingekehrt. Meterlange Schläuche werden aufgerollt und sorgfältig verstaut, die Anspannung löst sich und die "Zigarette danach" sorgt fast schon für Gemütlichkeit.

"Wir pflegen ein abwechslungsreiches Vereinsleben. Langeweile kommt bei uns eigentlich nie auf. Der Kontakt untereinander ist wirklich gut", meint Wolfgang Thuir. Geld gibt's nicht, dafür aber eine Versicherung gegen Arbeitsunfähigkeit und ganz nebenbei auch noch die Möglichkeit, durch ein Engagement bei der Feuerwehr, dem Wehrdienst zu entkommen. Wolfgang Thuir ist von der Attraktivität der Feuerwehr für junge Menschen überzeugt: "Wenig Heldentum und knallharte Arbeit, die in der Gemeinschaft richtig Spaß machen kann."

(NGZ)
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