Rhein-Kreis Neuss Gründer sind mit Jobcenter unzufrieden

Rhein-Kreis Neuss · Eine Beratungsgesellschaft aus Neuss kritisiert, den Umgang mit Menschen, die sich mit einer Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit befreien wollen. Aus Sicht der Agentur für Arbeit und des Jobcenters sind die Vorwürfe haltlos.

Arbeitslos und ohne Chance auf einen neuen Job, in dieser Situation kann die Gründung eines eigenen Unternehmens die Lösung sein. Erscheint die Idee für den Schritt in die Selbstständigkeit tragfähig, können Arbeitsagentur und Jobcenter das Vorhaben fördern. Einige Gründer und Gründungswillige aus dem Rhein-Kreis sehen sich jedoch durch diese Institutionen mehr behindert als unterstützt. Vertreten durch die Beratungsgesellschaft Tojuma Enterprise im TZG Business Center des Rhein-Kreises in Neuss, formulieren sie ihre Kritik.

Tojuma-Geschäftsleiter Thorsten Degen hat die Erfahrungen von zwölf Existenzgründern dokumentiert. Er wirft der Arbeitsagentur und dem Jobcenter vor, Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen, nicht oder ungenügend zu beraten: "Gründer werden gezielt verunsichert und Falschinformationen sind an der Tagesordnung." So würden etwa wichtige Anträge trotz gezielter Nachfrage verweigert. Teilweise würden junge Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit und Bonitätsprobleme getrieben.

Einen Grund sieht das Beratungsunternehmen in der mangelnden Kompetenz der zuständigen Sachbearbeiter. Ihnen fehle das nötige Wissen, um Businesspläne und deren Anhänge wie Liquiditäts-, Rentabilitäts- und Investitionspläne richtig zu bewerten. Während die Arbeitsagentur noch auf die externe Einschätzung von Fachleuten zurückgreife und im Kundenreaktionsmanagement viele Ersteinschätzungen korrigiere, sei die Situation für Gründer, die vom Jobcenter betreut würden, oft problematisch.

Arbeitsagentur und Jobcenter weisen diese Kritik entschieden zurück. Wendeline Gilles, Geschäftsführerin des Jobcenters in Neuss, verweist auf Personal, das eigens mit Blick auf die Prüfung von Existenzgründungen eingestellt worden sei. Zudem würden die entsprechenden Sachbearbeiter mit Fortbildungen weiter qualifiziert. Auch Eva Krause, Leiterin des Vermittlerteams der Agentur für Arbeit Mönchengladbach, kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Meine Kollegen sind Arbeitsmarktexperten und können genau beurteilen, welche Chancen eine Geschäftsidee hat."

Degens Klienten haben ihre Kritik in Protokollen über Informationsveranstaltungen und Antragsverfahren dokumentiert. Darin ist zum Beispiel die Rede von nicht ausgehändigten Formularen, verzögerten oder erst nach Widerspruch geleisteten Zahlungen. Auch Demotivation und abschätziger Umgang seitens der Jobcenter-Mitarbeiter wird kritisiert. Die Geschäftsführerin des Jobcenters weist auch das nachdrücklich zurück. Sie glaubt jedoch zu wissen, wie solche Urteile zustande kommen: "Wer ernsthaft die Idee verfolgt, sich selbstständig zu machen oder vielleicht sogar schon seine eigenes Unternehmen hat, tritt in der Regel mit Überzeugung und Selbstbewusstsein auf. Um als Unternehmer erfolgreich zu sein, ist das auch eine Grundvoraussetzung." Wenn Jobcenter oder Arbeitsagentur die präsentierte Geschäftsidee nicht für tragfähig hielten, seien Konflikte programmiert. "Dann fühlen sich die Menschen schnell gegängelt", sagt Gilles. Vorrangiges Ziel des Jobcenters sei es, Hartz IV-Beziehern wieder ein sicheres Leben ohne staatliche Hilfe zu ermöglichen. Die Existenzgründung, so sieht es auch Eva Krause, seien zwar eine Möglichkeit, allerdings nicht der Königsweg.

Oft scheitere eine Firmengründung bei Beziehern von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen schon an den finanziellen Grundlagen. "Wir versuchen vorrangig, Arbeitslose in neue Anstellungen zu vermitteln, oder, wenn das nicht gelingt, weiter zu qualifizieren", sagt Krause. "Verlegenheitsgründungen" Arbeitsloser seien riskant und bedrohten durch (weitere) Verschuldung mitunter nicht nur die Zukunftsperspektiven der Betroffenen selbst, sondern auch ihrer Familien.

Arbeitsagentur und Jobcenter sehen auch mit Blick auf die Statistik keinen Handlungsbedarf: Bei der Agentur, so Krause, seien 2013 insgesamt 354 Anträge zur Förderung von Existenzgründungen gestellt worden. 158 wurden bewilligt.

Das Jobcenter in Neuss registrierte 394 Teilnehmer an Info-Veranstaltungen für Gründer und 137 an Existenzgründungsseminaren. In 115 Fällen wurde eine Firma gegründet. "Die Zahlen sind stabil", sagt Krause. Gehäufte Ablehnungen oder Widersprüche von Existenzgründern seien nicht zu erkennen und würden – von der Neusser Gesellschaft abgesehen – auch nicht reklamiert.

Degen hingegen hält das System der Existenzgründungsförderung generell für korrekturbedürftig und hofft dabei auf die neue Bundesregierung: "Die Förderung und nicht die Behinderung von jungen Unternehmern muss ein Ziel aller politischen Entscheidungsträger sein."

(NGZ)
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