Familienberatung im Rhein-Kreis Beratungsstellen trotz Corona erreichbar

Rhein-Kreis · Online, per Telefon, Gespräche in besonderen Beratungsräumen oder auch beim „Spaziergang mit Abstand“: Die Verbände, die Familienberatung anbieten, haben sich einiges überlegt, um ihr Angebot aufrecht zu erhalten.

 Mike Clausjürgens von der Ambulanz für Kinderschutz (AKS) in Neuss muss zwar Abstand zu Ratsuchenden halten. Doch  auch und gerade in Zeiten der Corona-Krise ist er um Präsenz bemüht.

Mike Clausjürgens von der Ambulanz für Kinderschutz (AKS) in Neuss muss zwar Abstand zu Ratsuchenden halten. Doch  auch und gerade in Zeiten der Corona-Krise ist er um Präsenz bemüht.

Foto: Andreas Woitschützke

Konflikte in den Familien und häusliche Gewalt werden durch die Corona-Pandemie zunehmen. In diesem Punkt sind sich alle Experten einig. „Die Situation, dass alle zu Hause sind, ist für viele neu und belastend“, erklärt Mike Clausjürgens vom Beratungsteam der Ambulanz für Kinderschutz (AKS). Hinzu kommt bei vielen die Doppelbelastung zu Hause arbeiten und gleichzeitig die Kinder bespaßen oder den Lehrer ersetzen zu müssen. „Und dabei kann man nicht mal, wie sonst durch eine kurzes Gespräch mit der Kollegin den Arbeitsfrust schnell loswerden“, so der Berater. Nicht zuletzt gäbe es in vielen Familien große Angst, wie es beruflich und finanziell nach der Corona-Krise weitergehen wird. „Und jede Angst erhöht die Aggressionsbereitschaft“, erklärt Clausjürgens. Das könne in Familien, in denen ohnehin ein großes Gewaltpotential vorherrsche, schlimme Folgen haben.

Für diesen Fall, aber auch damit es gar nicht so weit kommt, stehen die Berater des Jugendamtes, die Beratungsstellen des Caritasverbandes im Rhein-Kreis Neuss, die Jugendberatungsstelle der Diakonie Rhein-Kreis Neuss (JUBS) und die Ambulanz für Kinderschutz trotz Corona allen Hilfe- und Ratsuchenden wie gewohnt zur Verfügung. „Aufgrund der aktuellen Lage allerdings vorwiegend im telefonischen statt im persönlichen Gespräch“, sagt Martin Braun vom Caritasverband. Dafür habe man aber – vorerst bis zum Ende der Osterferien – eine zusätzliche Abendsprechstunde (Montag, 19 bis 21 Uhr) eingeführt. Viele Beratungsstellen bieten zudem Online-Beratungen an, so dass man sich zumindest sehen könne, und auch Gruppengespräche seien auf diesem Weg möglich. „Wir haben außerdem eins unserer Beratungszimmer so umgeräumt, dass wir mit dem vorgeschriebenen Abstand persönlich beraten können“, berichtet Clausjürgens. Andere Berater laden zum „Spaziergang mit Abstand“ ein, um den persönlichen Kontakt, der gerade bei Erstgesprächen sehr wichtig sei, bieten zu können.

Ein paar Tipps, wie die Familien Konflikte von vornherein vermeiden können, haben die Psychologen und Sozialpädagogen auch zusammengestellt: „Geben sie dem Tag eine neue Struktur“, rät Martin Brandt, Familien-Therapeut bei „balance“. Feste Essenszeiten, Zeiten für die Schulaufgaben und Zeiten für das Arbeiten gehören dazu. „Bei beengten Wohnverhältnissen sollte die Familie auch regeln, dass jeder zu einer festgelegten Zeit ein Zimmer ganz für sich alleine hat“, rät Michael Williams, Diplom-Psychologe und Leiter der JUBS. Auch wer wann Zugriff auf den PC, das Tablet oder den Fernseher habe, sollte geregelt werden. Williams empfiehlt außerdem, dass bisherige Regeln beispielsweise zur Medien-Zeit neu aufgestellt und sehr tolerant gehandhabt werden sollten.

Den Jugendlichen rät er, mit Freunden via Chat gemeinsam die Hausaufgaben zu erledigen oder via Smartphone gegeneinander ein Spiel zu spielen. Für die ganze Familie gelte: Viel miteinander reden. „Klären Sie, was sie gemeinsam machen wollen, aber auch was jeder einzelne braucht“, so Williams. Dabei sollten für jeden Auszeiten eingeplant werden. „Auch für die Eltern“, betont Clausjürgens. Für sie seien ebenso wie für Jugendliche Telefonate oder Chats mit Freunden oder einer Beratungsstelle, bei denen man sich den Ärger von der Seele rede, ein Pflichtprogramm, sagt Braun. Eine solche Pflichtaufgabe haben die Berater auch für die Bundesregierung: Sie müsse so schnell wie möglich festlegen, wann der „shut down“ beendet wird. „Denn die Ungewissheit ist eine zusätzliche Belastung“, so Brandt. Und die könne keine Familie gebrauchen.

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