Comedians der intelligenteren Art Eine turbulente Mischung

Erst bei tosendem Applaus tänzeln die drei jungen Künstler auf die Bühne, singen und behaupten selbstbewusst "Wo wir sind ist oben".

Der Auftakt, mit dem die "Drittbrettfahrer" im Theater am Schlachthof ihr erstes gemeinsames Programm eröffneten, mochte zunächst vielleicht ein wenig hybride scheinen, entpuppte sich allerdings schnell als therapeutisches Pfeifen im Dunkeln, mit dem die "Selbsthilfegruppe Casting geschädigter Künstler" sich vielseitige Frusterfahrungen von den Künstlerseelen zu arbeiten suchte.

Schon die Rahmenhandlung der Show, in der Jens Claassen, Dennis Prang und Johannes Schwelm sich als sympathisches Trio erfolgloser Bühnenkünstler präsentierten, war witzig, glaubwürdig und ließ den völlig verschiedenen Temperamenten der drei Nachwuchs-Comedians genügend Raum.

Zwischen der gemeinsamen Klage über die Grausamkeiten des Casting-Gewerbes und dem verbindenden Jammer über die umfassende Ignoranz der Welt gegenüber den eigenen Fähigkeiten, zeigten die drei Jung-Kabarettisten, dass sie zwar grundverschieden sind und doch ein gemeinsames Gespür für skurrile Schrägheiten haben: Sie boten wunderbare Unterhaltung, indem sie immer wieder ihre Welten fröhlich miteinander kurzschlossen, zwei frühstückende Maurer über Kafka und Lacan debattieren ließen oder in Rainer Calmunds Biographie nach verborgenem Sinn suchten.

Im Grauen-Anzug-Outfit irgendwo zwischen Versicherungsangestelltem und evangelischem Geistlichen brillierte Jens Claassen mit hintergründigem Humor voller Selbstironie, räsonierte über Klavierspieler, Feingeister und Weicheier sowie deren Chancen bei den Frauen, imaginierte sich mit prallem Witz in die Rolle des groupie-umworbenen Punk-Idols.

Als selbsternannter Gesprächsmoderator der Selbsthilfegruppe karikierte Dennis Prang den sozialtherapeutischen Jargon des "So-ein-Stück-weit" gestenreich und war einfach völlig komisch, wenn er als arbeitsloser HipHopper mit Uni-Abschluss so verschiedene Diskurse wie den der Philosophie und den der Jugendkultur munter und ausgesprochen souverän durcheinander jonglierte.

Mit breitem rheinischem Akzent ließ Johannes Schwelm simple Gemüter wie "Oma Else" oder den "Big Boss" Rainer Calmund über sich und die Welt reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, las als schwitzender Calmund aus dessen Biographie und antwortete in der inszenierten Fernsehshow geduldig auf keine einzige der Fragen seiner feingeistig literarisch-psychologisch interessierten Buchkritiker, die sich hermeneutisch mächtig ins Zeug legten, um Calmunds Texte über den ewigen Appetit intellektuell zu deuten.

Von wegen erfolglose Künstler: Frisch und voller herrlicher Ideen erwiesen sich die "Drittbrettfahrer" als gute Comedians der intelligenteren Art und ebenso als durchaus vielversprechend. Info Blücherstraße 31, nächster Termin: Sonntag. 16. Januar, 20 Uhr, Kartentelefon 02131/277499 (KaTse)

(NGZ)
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