Haus Jordans Eine Heimat für Revolutionäre

Von Carsten Greiwe Die schmutzig-grünen Fensterläden sind verschlossen und geben dem alten Haus einen abweisenden Charakter. In dem erzbischöflichen Mädchengymnasium gegenüber regt sich bereits das früh morgendliche Treiben, doch das historische Gemäuer stört sich nicht daran.

Von Carsten Greiwe Die schmutzig-grünen Fensterläden sind verschlossen und geben dem alten Haus einen abweisenden Charakter. In dem erzbischöflichen Mädchengymnasium gegenüber regt sich bereits das früh morgendliche Treiben, doch das historische Gemäuer stört sich nicht daran.

Der Putz bröckelt von der Fassade und der arglose Passant könnte meinen, das Haus stehe kurz vor dem Abriss. Doch weit gefehlt. Auch wenn seine Tür stets verschlossen bleibt, so dient das im 18. Jahrhundert errichtete Haus Jordans noch als Gaststätte. Allerdings liegt der Eingang im hinteren Bereich. ist von der Straße aus nicht zu sehen. Früher war alles besser - oder doch wenigstens anders.

Früher, da trafen sich die Jungs vom Quirinus-Gymnasium mit den Mädels vom "Marienberg" genau dort: im "Jordans". Beide Schulen nahmen noch keine Vertreter des jeweils anderen Geschlechts auf. So entwickelte sich das Haus an der Rheinstraße zum Treffpunkt der Neusser Jugendlichen - auch von anderen Schulen. So manches Bier wurde im "Jordans" erstmalig genossen. Für manche wurde die dunkle Kneipe zum zweiten Zuhause, einige haben hier sogar den Grundstein für eine "Ehrenrunde" in der Schule gelegt.

Warum das "Jordans" eigentlich "Jordans" heißt, hat sich vermutlich kaum einer der jugendlichen Besucher gefragt. Ob viele die später angebrachte Erinnerungstafel zur Kenntnis genommen haben, lässt sich schwerlich sagen. Zumal, wenn man bedenkt, in welchem Zustand so mancher das gastliche Haus wieder verlassen haben mag ... Sollte dennoch einer der Jugendlichen einen Blick auf jene goldgelbe Tafel geworfen haben, so hätte er erfahren, dass das Haus nach einem Neusser Bürgermeister benannt ist.

Franz Anton Josef Jordans (1776 bis 1851) war nur unwesentlich älter als viele der späteren Schüler-Besucher, als er Anfang Januar 1801 zum Bürgermeister ernannt worden war - mit gerade mal 24 Jahren. Jordans war von den Idealen der französischen Revolution beseelt und ein begeisterter Anhänger der neuen Herren im Rheinland. Denn wenige Jahre zuvor waren die französischen Revolutionstruppen in Neuss einmarschiert.

Als in Paris 1789 die Revolution ausgebrochen war, studierte Jordans - Spross einer alten Neusser Patrizierfamilie, die bereits 1554 in die Stadt gekommen war - in Göttingen. Er feierte die neue Zeit.

Wenn rund 200 Jahre später so mancher Gymnasiast mit Idealen im Bauch und Flausen im Hirn im "Jordans" wenigstens für Neuss eine kleine Revolution plante, dann stand er immerhin in einer alten Tradition, selbst wenn ihm das nicht bewusst gewesen sein sollte. Jordans blieb bis 1804 Bürgermeister seiner Vaterstadt und wechselte dann als Unterpräfekt nach Krefeld.

Napoleon erhob ihn in den Adelsstand. Doch anstatt seine Karriere weiter zu verfolgen, ging er mit seinem Kaiser nach Waterloo und erlebte dort auch seine ganz persönliche Niederlage. Das von ihm vermutlich erbaute Haus - Franz Jordans war seinerzeit der reichste Bürger in Neuss - blieb jedoch stehen. Nach dem Krieg betrieb dort der Metzger Otto Pröve eine Fleischerei.

Im Zuge der Stadterneuerung blieb das Haus Jordans als einziges historisches Haus in der Umgebung des Meererhofs erhalten. Es wurde vollständig entkernt und die inzwischen heruntergekommene Fassade gerettet. Doch dem Vernehmen nach plant der jetzige Eigentümer eine umfassende Renovierung und hat das Haus, in dem heute nur noch Nudeln verspeist werden, bereits einrüsten lassen.

(NGZ)
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