Rhein-Kreis Neuss Djir-Sarai: "Die Kreispolitik erdet mich"

Rhein-Kreis Neuss · Bijan Djir-Sarai, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der FDP im Rhein-Kreiss Neuss, erklärt, warum wer auch als Außenpolitiker nicht auf die lokale Arbeit im Neusser Kreistag verzichten will.

 Bijan Djir-Sarai, persischer Abstammung: „Ich bin deutscher Bundestagsabgeordneter. Grevenbroich ist mein Zuhause.“

Bijan Djir-Sarai, persischer Abstammung: „Ich bin deutscher Bundestagsabgeordneter. Grevenbroich ist mein Zuhause.“

Foto: NGZ

Herr Dr. Djir-Sarai, Sie verzichten auf eine Urlaubsreise. Wie nutzen Sie die politische Sommerpause für sich?

Bijan Djir-Sarai Als Außenpolitiker meiner FDP-Bundestagsfraktion stehen mir bis Jahresende noch einige große Reisen — so in die USA und in den Nahen Osten — bevor, da bin ich froh, Zeit zu Hause verbringen zu können. Außerdem komme ich jetzt dazu, Dinge und Themen aufzubereiten, die im Tagesgeschäft liegen geblieben sind.

Es ist Ihre erste Legislaturperiode im Bundestag. Welche Eindrücke haben Sie bisher in Berlin gewonnen?

Djir-Sarai Ich habe mir nicht vorstellen können, wie viel in einem Dreivierteljahr passieren kann. Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, dass ich 2010 in der Bundesversammlung einen Bundespräsidenten mitwähle, so hätte ich das für unmöglich gehalten.

Warum haben Sie sich so früh so deutlich für Christian Wulff als neues Staatsoberhaupt ausgesprochen?

Djir-Sarai Weil er erfahren ist, Politik versteht und Politik auch den Menschen erklären kann. Wir haben eine integre, souveräne Persönlichkeit gewonnen. Diese Vorzüge waren mir im Vorfeld klar. Darum habe ich die Kandidatur von Christian Wulff auch öffentlich begrüßt.

Wenn Sie sagen, dass in einem Dreivierteljahr in Berlin viel passiert ist, so gehört dazu auch der Umfrageabsturz Ihrer Partei, der Liberalen. Wie erklären Sie sich das Tief?

Djir-Sarai Wir haben handwerkliche Fehler gemacht. Es war falsch, notwendige Entscheidungen in Berlin mit Rücksicht auf die NRW-Wahl zu verschieben. Wir waren auch zu lange ohne Generalsekretär, so dass der Partei eine Stimme fehlte.

Machen Sie es sich nicht zu leicht, wenn Sie nur handwerkliche Fehler für den Absturz geltend machen?

Djir-Sarai So sollte das nicht klingen. Die bürgerlichen Wähler haben uns mit einem großen Vertrauensvorschuss bedacht. Diesem sind wir nicht gerecht geworden. Wenn wir jetzt in Umfragen um die 5 Prozent liegen, dann werden wir unter Wert eingestuft. Ich bin fest überzeugt, dass unser Potenzial weiterhin bei deutlich über 10 Prozent liegt.

Große Worte. Und wie wollen Sie die Kurve bekommen?

Djir-Sarai Es gibt zwei entscheidende Punkte. Erstens muss die schwarz-gelbe Bundesregierung als Einheit auftreten, so dass wir geschlossen die Ziele ansteuern können. Zweites erwartet das bürgerliche Lager, das uns trägt, dass diese Regierung endlich Ergebnisse vorweist. Dazu gibt es keine Alternative. Nur wenn wir zielorientiert handeln, kommen wir in die Erfolgsspur zurück.

Ihr Arbeitsfeld ist in erster Linie die Außenpolitik und insbesondere der Ferne Osten. Hat Ihre persische Abstammung diesen Weg vorgezeichnet?

Djir-Sarai Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich bin ein deutscher Bundestagsabgeordneter, der die Interessen Deutschlands und seiner Wähler im Rhein-Kreis Neuss vertritt. Grevenbroich ist mein zu Hause und wenn ich das Stadtschild sehe, bekomme ich Heimatgefühle. Richtig ist, dass ich gerade in Afghanistan und im Iran ein anerkannter Gesprächspartner bin. Da hilft es, dass ich kulturelle Hintergründe in der Region kenne, weiß, wie die Menschen denken, und dass ich Farsi spreche. So habe ich schon viele offene Gespräche mit Delegationen aus dem Mittleren Osten geführt, die ich als sehr ehrlich empfunden habe. Ich leite jetzt auch die Arbeitsgruppe Afghanistan in meiner FDP-Fraktion.

Sie sind weiterhin für eine Präsenz deutscher Soldaten am Hindukusch. Was stärkt Sie in dieser Auffassung?

Djir-Sarai Am Karfreitag habe ich am Sarg der drei deutschen Soldaten gestanden, die in Afghanistan getötet worden waren. Das war meine schwerste Stunde als Politiker. Aber ich habe großen Respekt vor der Leistung der Bundeswehr, die in Afghanistan großartige Aufbauarbeit leistet. Ich war vor Ort und ich habe gesehen, wie wichtig es ist, dass wir den Menschen dort helfen. Wir dürfen sie nicht allein lassen.

Welt- und Kommunalpolitik. Wie lange wollen, wie lange können Sie das gewaltige Spagat noch aushalten?

Djir-Sarai Möglichst lange, denn die Arbeit als Kreisvorsitzender und Vorsitzender der Kreistagsfraktion bereitet mir große Freude. So bleibe ich geerdet. Wenn wir in Berlin über Jobcenter und Optionsmodelle diskutieren, dann weiß ich, worum es geht, weil wir im Rhein-Kreis die Vor- und Nachteile konkret analysiert haben. Außerdem arbeitet die CDU/FDP-Koalition im Kreistag vertrauensvoll zusammen. Dort zeigen wir beispielhaft mit einer guten Gesprächskultur, wie man als Einheit auftritt, Ergebnisse vorlegt und beide Parteien doch ihr eigenes Profil behalten.

Die CDU/FDP-Koalition im Rat der Stadt Neuss läuft nicht so gut?

Djir-Sarai Ich bin nicht in der Lage, die Politik im Neusser Stadtrat im Detail zu bewerten. Politik hat aber immer etwas mit den handelnden Personen tun.

Ludger Baten führte das Gespräch.

(dhk)
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