Gründung der jüdischen Gemeinde in Neuss Die Synagoge soll ein Schmuckstück werden

Er stammt aus der Ukraine und hat sich in Neuss schon bestens eingelebt. "Wir fühlen uns als Mitteleuropäer", sagt Alexander Bederov. Er ist Vorsitzender der Komitees, das die Gründung einer jüdischen Gemeinde in der Quirinusstadt vorbereitet, und hat viel vor. "Die Synagoge soll ein Schmuckstück werden", sagt er und berichtet von den Plänen, im ehemaligen Theaterkomplex an der Drususallee ein jüdisches Gemeindezentrum zu errichten. "Vor dem Krieg haben die Juden Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft in Deutschland sehr positiv beeinflusst, und wir sind bereit, wieder solch ein Teil der Gesellschaft zu werden": Alexander Bederov leitet das Komitee, das die Gründung der jüdischen Gemeinde in Neuss vorbereitet. NGZ-Foto: A. Woitschützke

Er stammt aus der Ukraine und hat sich in Neuss schon bestens eingelebt. "Wir fühlen uns als Mitteleuropäer", sagt Alexander Bederov. Er ist Vorsitzender der Komitees, das die Gründung einer jüdischen Gemeinde in der Quirinusstadt vorbereitet, und hat viel vor. "Die Synagoge soll ein Schmuckstück werden", sagt er und berichtet von den Plänen, im ehemaligen Theaterkomplex an der Drususallee ein jüdisches Gemeindezentrum zu errichten. "Vor dem Krieg haben die Juden Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft in Deutschland sehr positiv beeinflusst, und wir sind bereit, wieder solch ein Teil der Gesellschaft zu werden": Alexander Bederov leitet das Komitee, das die Gründung der jüdischen Gemeinde in Neuss vorbereitet. NGZ-Foto: A. Woitschützke

Bederov erblickte 1935 in Charkow das Licht der Welt, studierte dort und war anschließend 42 Jahre als Ingenieur bei einem Flugzeug-Hersteller beschäftigt. 1996 sind er, seine Ehefrau Larissa, zwei Kinder und zwei Enkel nach Deutschland gekommen. "Wir hatten erfahren, dass es jetzt ein neues Deutschland gibt, ein Deutschland, das seine Vergangenheit im Dritten Reich bewältigt und einen anderen Weg nimmt", erzählt Bederov. Die Juden seien "ein Volk, das von alters her zu Deutschland und zu Mitteleuropa gehört".

Dagegen sei ihre Geschichte in Russland oder in der Ukraine gerade einmal 200 Jahre alt. "Ich wusste schon als Kleinkind von unseren Wurzeln, als ich das Jiddische, die Sprache unserer Großväter, hörte", erinnert sich der Neusser Neubürger. Als dann Deutschland seine Türen für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion geöffnet habe, sei man diesem Ruf halt gefolgt. "Ich hoffe, dass sich unsere Kinder und Enkel hier am Wiederaufbau unseres verlorenen Erbes beteiligen. Wir sind nicht einfach Wirtschaftsflüchtlinge. Vor dem Krieg haben die Juden Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft in Deutschland sehr positiv beeinflusst, und wir sind bereit, wieder solch ein Teil der Gesellschaft zu werden", betont Bederov ("Deutschland hat mit der Ausrottung der Juden etwas verloren, und so kann unser Zuzug wichtig für beide Seiten sein").

Die Schattenseiten verschweigt der Ukrainer nicht: "Wir haben nicht nur Kinder und Enkel mitgebracht, sondern auch schwierige Probleme in Sprache und Integration." Aus diesem Grund haben er und seine Mitstreiter bereits 1998 eine "Vereinigung der russischsprachigen Juden" in Neuss gegründet. Etwa hundert Mitglieder zählt die Gesellschaft. Sie erforscht die jüdische Stadtgeschichte und hört Vorträge über kulturelle Themen "von Puschkin bis Goethe", wie Bederov sagt.

Auch die jüdischen Feiertage werden jetzt gemeinsam gefeiert. "Wir haben bei der Stadt Neuss oder beim Caritasverband große Hilfe erfahren und für unsere Zusammenkünfte etwa die Alte Schmiede oder den Saal des Caritashauses zur Verfügung gestellt bekommen", freut sich der Komitee- Vorsitzende, den auch Bürgermeister Herbert Napp schon mehrfach im Rathaus empfangen hat und ihm dort Sympathie, Unterstützung und Verständnis signalisierte.

Allen offenen Armen zum Trotz: Es fehlt ein Raum für die künftige Gemeinde, und der soll nun im alten Theater geschaffen werden. "Ein Wunder" nennt Bederov das. "Die Synagoge wird allen Juden in Neuss ermöglichen, eine große Familie im eigenen Haus zu sein", steckt er die Erwartungen ab. Er führt das Vorbereitungskomitee, in dem elf Mitglieder sitzen. Sieben russischsprachige Juden um Alexander Umanski und vier deutschsprachige Gläubige um Aaron Peiser bilden das Gremium.

Der Kreis besteht aus 45 bis 70 Jahre alten Männern und Frauen, die aus Moskau, St. Petersburg oder eben Charkow stammen. Etliche Hochschulabsolventen sind darunter, die zuletzt als Ingenieure oder im Bereich von Kultur und Wissenschaft gearbeitet haben. "Wir Juden hatten immer den großen Wunsch, unseren Kindern eine gute Lehre mit auf den Weg zu geben", erklärt Bederov den hohen Bildungsstand ("trotzdem müssen wir den Menschen helfen, sich in der deutschen Gesellschaft zu etablieren").

Zurzeit leben 450 Juden in und um Neuss, Tendenz steigend. Die Gemeindegründung könnte Grund für weitere Zuzüge sein. Sprachkurse sind gefragt und Begegnungen mit der übrigen Bevölkerung ebenso. "Unsere Synagoge soll ein Zentrum des Miteinanders werden. Wir möchten die Neusser einladen, sich Kultur und Religion des Judentums näher bringen zu lassen. Damit wollen wir an die große Tradition der freundschaftlichen Beziehungen und gegenseitigen Anerkennung anknüpfen", verspricht Bederov, der Anschauungsunterricht in anderen jüdischen Gemeinden nehmen möchte.

Ob Synagogenbau oder Begegnung: Vorschläge und Ideen aus der Bürgerschaft seien hochwillkommen. Konkrete Konzepte für die neue Gemeinde gibt es schließlich noch nicht. "Wenn wir das Haus mit Leben füllen möchten, dann geht das nicht mit einem Blatt Papier. So etwas muss wachsen, und dazu braucht man Geduld", sinniert Bederov und blickt zuversichtlich nach vorn. Thilo Zimmermann

(NGZ)
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