Rhein-Kreis Neuss "Bauherren profitieren vom Überhang der Pflegeplätze"

Grevenbroich · Die Zahl älterer Menschen steigt – und damit auch der Bedarf an Betreuung. Der Kreis befürchtet aber eine Überkapazität an Altenpflegeplätzen. Ein Widerspruch?

Die Zahl älterer Menschen steigt – und damit auch der Bedarf an Betreuung. Der Kreis befürchtet aber eine Überkapazität an Altenpflegeplätzen. Ein Widerspruch?

Jürgen Steinmetz Nein, wir benötigen eine bedarfsgerechte Versorgungsstruktur, die auch, aber nicht nur Altenpflegeplätze einschließt. Wir müssen uns um Strukturen kümmern, die das Leben im Alter und bei Pflegebedürftigkeit in den eigenen vier Wänden ermöglicht.

Wie viele Heime und Plätze sind im Kreisgebiet geplant?

Steinmetz Wir haben 3354 Altenpflegeplätze, geplant sind 786, und wir prognostizieren für 2015 einen Bedarf von 3830 Plätzen. Damit würden wir den voraussichtlichen Bedarf um 310 Plätze übersteigen.

Kritisch sehen Sie die Lage besonders in Grevenbroich?

Steinmetz In Grevenbroich haben wir 419 Plätze, 420 sind geplant, und die Prognose sagt einen Bedarf von 560 Plätzen voraus. Damit entsteht ein Überhang von 279 Plätzen.

Wer profitiert von all diesen Heimen?

Steinmetz Bei der inflationären Planung von Altenpflegeplätzen profitieren vor allem die Bauherrn, und dies zu Lasten der Bewohner, des Personals und öffentlicher Kassen.

Was befürchten Sie konkret an Folgen bei so vielen Häusern?

Steinmetz Ich befürchte Pflegemängel wegen nicht ausreichenden Personals, aber auch eine erhebliche Belastung des Kreishaushalts mit Aufwendungen von 23,5 Millionen Euro für 2013. 2007 lagen die Aufwendungen für Hilfe zur Pflege und Pflegewohngeld bei noch 14 Millionen Euro. Zudem entspricht das ausschließliche Angebot von Altenpflegeplätzen nicht der Bedürfnislage älterer Menschen.

Sprechen Sie sich für einen Stopp für weitere Häuser aus?

Steinmetz Das gilt auf jeden Fall für Grevenbroich. Im Übrigen ist die Situation in den Städten und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss sehr unterschiedlich.

Welche alternativen Pflegeangebote müsste es Ihrer Meinung nach geben?

Steinmetz Wir benötigen auch Betreutes Wohnen, Wohngemeinschaften, ambulante und teilstationäre Einrichtungen, barrierefreie Häuser und Wohnungen, Haushalts- und Alltagshilfen, und dies gebündelt in Quartierskonzepten. Dies sind auch Ergebnisse unserer gestrigen Fachtagung "Neue Wohnformen im Alter".

Hat der Rhein-Kreis denn überhaupt die Möglichkeit, weitere Heime zu verhindern?

Steinmetz Die Städte und Gemeinden verfügen über das Planungs- und Baurecht und sind häufig Grundstückseigentümer. Die Möglichkeiten des Kreises sind leider stark begrenzt. Ich fordere von der Landesregierung, dass wieder die Bedarfsbestätigung erforderlich wird – wie für Krankenhäuser.

CARSTEN SOMMERFELD FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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