Bewährte Ensembles eingekauft Auf Sicherheit gesetzt

Von Helga Bittner Die Zahlen sprechen für sich: Über 13 000 Besucher haben die 29 Vorstellungen des Shakespeare-Festivals besucht - das ergibt eine Auslastung von 91 Prozent. Das muss das Herz des Kulturreferenten Dr. Rainer Wiertz doch hüpfen lassen, schließlich sieht die Zahlenbilanz damit um vieles besser aus als noch im vergangenen Jahr, wo die Auslastung von 75 Prozent (mit knapp über 10 000 Besuchern) für den Publikumsmagneten Globe mit großer Enttäuschung und Sorge registriert wurde. Das Glöckchen hat Pause: Es gehört zur Tradition des Globe-Festivals, dass Produktionsleiter Andreas Giesen die Zuschauer mit dem Schützen-Glöckchen seines Vaters zur Vorstellung ruft. Jetzt schweigt es wieder für ein Jahr. NGZ-Foto: A. Woitschützke

Von Helga Bittner Die Zahlen sprechen für sich: Über 13 000 Besucher haben die 29 Vorstellungen des Shakespeare-Festivals besucht - das ergibt eine Auslastung von 91 Prozent. Das muss das Herz des Kulturreferenten Dr. Rainer Wiertz doch hüpfen lassen, schließlich sieht die Zahlenbilanz damit um vieles besser aus als noch im vergangenen Jahr, wo die Auslastung von 75 Prozent (mit knapp über 10 000 Besuchern) für den Publikumsmagneten Globe mit großer Enttäuschung und Sorge registriert wurde. Das Glöckchen hat Pause: Es gehört zur Tradition des Globe-Festivals, dass Produktionsleiter Andreas Giesen die Zuschauer mit dem Schützen-Glöckchen seines Vaters zur Vorstellung ruft. Jetzt schweigt es wieder für ein Jahr. NGZ-Foto: A. Woitschützke

Doch in diesem Jahr gab es keine Fußball-EM, und das Wetter war auch viel besser. Zudem hat Programmmacher Wiertz für das 15. Festival auf Experimente weitgehend verzichtet. Keine Shakespeare-fremden Stücke und keine ungewöhnlichen Lesungen; allein das Konzert mit "Shakespeare's Musick" fällt aus dem Rahmen. Doch gemessen an der Qualität des Abends mit den "Musicians of the Globe" und dem Erfolg beim Publikum müsste man Wiertz höchstens den Vorwurf machen, dass er die Truppe nicht schon eher nach Neuss geholt hat ...

Ansonsten setzte sich der Spielplan des Festivals ausschließlich aus Inszenierungen zusammen, deren Titel sich im Werkverzeichnis des Elisabethaners finden. Also: Nichts Neues unterm Globe-Himmel? Kann man so auch nicht sagen, denn gleich vier Stücke waren dabei, die auf deutschen Bühnen eher seltener zu sehen sind: "The Winter's Tale", "König Johann" und "Coriolan" und auch "The Merry Wives of Windsor". Ihnen standen die Renner "Macbeth" (wenn auch mit "Kill Bill"), "Romeo und Julia" und "Hamlet" gegenüber; das Mittelfeld wurde gefüllt von "Was ihr wollt", "Viel Lärm um nichts" und "Der Kaufmann von Venedig".

Dass ein Viertel der eingeladenen Aufführungen dem Zuschauer einen eher unbekannten Shakespeare präsentierte, ist zwar per se noch kein Garant für den Erfolg, aber weil auch die künstlerische Qualität der Inszenierungen stimmte, entpuppten sich diese Gastspiele gleichzeitig auch als die überzeugendsten. Wobei auch der von der Theaterachse Salzburg frisch aufpolierte Dauerbrenner "Romeo und Julia" dazuzurechnen ist. Ein glatter Reinfall war indes Brian Michaels' Bearbeitung von "Viel Lärm um nichts".

Selten einmal stimmen Titel eines Stücks und Realität so überein wie in diesem Fall: Der Lärm der das Globe verlassenden, empörten Zuschauer schlug den um das Nichts auf der Bühne in Längen. Michaels hatte ebenso wie Malachi Bogdanov für seine "Welturaufführung" von "Macbeth" verknüpft mit dem Quentin Tarantino-Film "Kill Bill" eine Carte blanche von Rainer Wiertz gehabt - und beide Male wurde sie verspielt. Mag die Bogdanov-Arbeit auch noch Freunde gefunden haben, von Michaels' Inszenierung lässt sich das kaum behaupten.

Der Folkwang-Lehrer, beileibe kein Globe-unerfahrener Regisseur, hat damit einiges an Vertrauen verspielt, und Wiertz muss sich in Zukunft schon fragen, ob es klug ist, eine Einladung auszusprechen, ohne die Aufführung vorher gesehen zu haben. Dennoch: Den Mut zum Risiko für das Programm sollte und darf er sich auch von solchen Flops nicht nehmen lassen. Während das Festival nach unten also seinen Ausreißer hatte, fehlte der nach oben. Wirkliche künstlerische Highlights wie etwa "Dogface" von Dan Jemmet im vergangenen Jahr oder zwei Jahre zuvor "Juliet et Romeo" von Irina Brook waren nicht dabei.

Insgesamt ist Wiertz mit dem Programm mehr auf Nummer Sicher gegangen, hat bewährte Compagnien wie die Watermill Propeller Production oder Wild Thyme aus England nach Neuss geholt und gleich drei Inszenierungen der bremer shakespeare company eingekauft. Auch wenn deren Aufführungen "König Johann" und "Coriolan" zweifellos zu den besten des Festivals gehörten, ist es fraglich, ob es der Vielfalt eines internationalen Theatertreffens gut tut, wenn drei der insgesamt zehn Inszenierungen von einer Theatergruppe stammen und vier von zehn sich auf nur zwei Regisseure verteilen - Malachi Bogdanov ("Macbeth", "Il Mercante di Venezia") und Thomas Weber-Schallauer ("Was ihr wollt" und "Hamlet"), die beide mit ihren Arbeiten nur begrenzt überzeugten.

Einen überaus viel versprechenden Start hat hingegen die von Festival-Produktionsleiter Andreas Giesen initiierte "Globe Education" hingelegt, die von der Shakespeare-Expertin Dr. Vanessa Schormann umgesetzt wurde. Dass gleich beim ersten Mal 18 Workshops mit durchweg begeisterten Schülern zustande kamen (und etliche Wünsche wegen Terminprobleme abschlägig beschieden wurden), lässt hoffen - auf die Theaterbesucher von morgen.

(NGZ)
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