NGZ-Gespräch mit Hagen Damaschke, Kapitän der MS Europa Auf Kurs über die Weltmeere

Vom Matrosen auf dem Frachter zum Kapitän der MS Europa: Hagen Damaschke hat 2003 das Kommando auf dem Luxusliner übernommen. Das Flaggschiff der Hapag-Lloyd trägt zum siebten Mal in Folge als einziges Kreuzfahrtschiff das Prädikat "5 Sterne plus".

 Hagen Damaschke stammt aus einer Schifferfamilie, sein Großvater war Reeder und Eigner von Flussschiffen. Der gebürtige Berliner trägt seit 2003 auf der MS Europa Verantwortung.

Hagen Damaschke stammt aus einer Schifferfamilie, sein Großvater war Reeder und Eigner von Flussschiffen. Der gebürtige Berliner trägt seit 2003 auf der MS Europa Verantwortung.

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Herr Damaschke, haben Sie eigentlich einen Lieblingsozean?

 Die goldenen Streifen am Ärmel: Rangabzeichen und Blickfang.

Die goldenen Streifen am Ärmel: Rangabzeichen und Blickfang.

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Hagen Damaschke Einen Lieblingsozean? Das hat mich noch keiner gefragt. Ich denke aber, dass ich das in der Reihenfolge Indischer Ozean, Pazifischer Ozean und Atlantik antworten kann. Der Atlantische Ozean ist der unbequemste, vor allem der Nordatlantik. Da ist schon ein bisschen mehr Bewegung drin.

Sie sagen von sich: Ich bin Kapitän mit Leib und Seele. Wie sicher bewegen Sie sich an Land, wenn Sie keine Planken unter den Füßen spüren?

Damaschke Das klappt alles ganz gut. Ich bin zehn Wochen auf See und zehn Wochen an Land, im Wechsel mit meinem Kollegen Kapitän Friedrich Jan Akkermann. Genau so lang, wie ich auf See bin, bin ich also an Land. Da kommt man nicht aus der Übung.

Ist Schiff gleich Schiff? Anders gefragt: Container oder Passagiere - was macht den Unterschied?

Damaschke Das ist sicherlich ein sehr großer Unterschied, da ich beides kenne. Ich bin 1991 bis 1994 Containerschiff gefahren, und von 1995 bis jetzt auf Kreuzfahrtschiffen. Das soziale Gefüge an Bord ist einfach anders: Ein Containerschiff von heute hat 14 Mann Besatzung. Sieben arbeiten am Tage, sieben in der Nacht, einer vorne, einer oben, einer unten einer hinten. Dann sind die schon verteilt, man sieht keinen mehr. - Wenn es mir nicht ganz schlecht geht, fahre ich nie wieder ein Containerschiff!

Mit der MS Europa sind Sie für eines der luxuriösesten Kreuzfahrtschiffe der Welt verantwortlich. Darf man sich als junger Kapitän solch ein Ziel setzen - oder welche Faktoren entscheiden über so eine Position?

Damaschke Kapitän wird man nicht durch Ausbildung. Man bekommt zwar das Patent, anschließend muss man drei Jahre lang fahren - aber dann ist man noch lange nicht Kapitän. Letztlich wird man Kapitän, weil die Firma sagt: "Sie vertreten uns am besten, und deshalb machen wir Sie zum Kapitän."

Was ist die wichtigste Eigenschaft in Ihrem Beruf?

Damaschke Ich gebe den Gästen ein Gefühl von Sicherheit, und ich denke, das würden sie mir auch unumwunden bestätigen. In gewissen Momenten muss man bestimmte Entscheidungen treffen, auch wenn sie nicht populär sind. Wenn sie zum Beispiel wetterbedingt eine Kursänderung fahren, und dadurch einen Hafen ausfallen lassen - dann ist das so. Das wird festgelegt, und das lebt man dann auch als Kapitän. Wichtig ist: entscheiden zu können und entscheiden zu wollen.

Inwiefern entsprechen Sie dem Klischee, das sich die deutsche Fernsehnation von einem Kreuzfahrtschiff-Kapitän gemacht hat?

Damaschke (schmunzelt) Der normale Gast erwartet weiße Haare - da sage ich immer: Die kommen von alleine -, einen Bart - den könnte ich wachsen lassen -, also könnte ich unter Umständen irgendwann doch noch dem Klischee entsprechen.

Beschreiben Sie einmal den typischen Kreuzfahrt-Urlauber, der auf der MS Europa einschifft.

Damaschke Das Durchschnittsalter bei uns liegt bei 50 plus. Die meisten Gäste haben im Vorfeld ihrer ersten Reise ganz, ganz viele Bedenken - und kommen wieder und sagen: Warum habe ich das nicht schon längst einmal gemacht?!

Und Geld spielt keine Rolle?

Damaschke Exzellenter Service kostet Geld. Aber man muss es von der anderen Seite her betrachten: Sie können mit jedem Schiff zu fast jedem Punkt dieser Erde fahren. Die Frage ist: Wie möchten Sie dorthin fahren. Dann werden Sie auch Ihr Schiff finden. Wir sind in der Luxusklasse. Wir fahren bei 400 Gästen mit 275 Besatzungsmitgliedern, man kann auch mit 1000 Gästen fahren und 300 Besatzungsmitglieder haben. Dann wird es preiswerter - aber dann bleibt der Service auf der Strecke.

Der Eintänzer auf dem Kreuzfahrtschiff: Jeder hat davon gehört, aber inwiefern gibt es ihn noch beziehungsweise die reichen Witwen, die auf seine Parkettsicherheit auf hoher See vertrauen?

Damaschke Der Eintänzer: Das ist wohl weniger der Kapitän, sondern eher ein Host. Den haben wir an Bord, aber um Missverständnissen vorzubeugen: Er ist nicht nur zum Tanzen da, sondern neben der Hostess eine Art Gesellschafter und immer in den öffentlichen Bereichen zu finden. Er leiht Gästen sein Ohr, frühstückt mit ihnen, organisiert Veranstaltungen und Treffen und begleitet die ein oder anderen Herrschaften.

Bieten Sie auch Themenreisen an?

Damaschke Beispielsweise die Golferreise rund um England, Musikfestivals, Küchen- und Sommelier-Events.

Wie erlebt ein Besatzungsmitglied die wochenlange Schiffsreise auf dem Luxuskreuzer? Sind die Vergnügungen an Bord exklusiv, oder darf auch das einfache Crewmitglied den Glanz genießen?

Damaschke Bei uns ist das nicht so wie vielleicht auf anderen Schiffen: Dass die Crew sich abends zum Feiern in die Bars begibt. Sicherlich gibt es Kollegen, die haben die Genehmigung und auch ein bestimmtes Budget dafür. Da sind die Kabinenstewardess und der Steward natürlich von ausgenommen. Maßstab sind die "Streifen" am Ärmel. Ab "Streifen" dürfen die Kollegen mit in die Gesellschaftsräume, mit in zu den Veranstaltungen. Das ist sehr beliebt und kommt bei den Gästen sehr gut an, weil sie mal beim Hotelmanager, dem Kapitän oder dem Ersten Offizier sitzen und sich über viele Dinge informieren können. Oft heißt es dann: "Ich habe da mal gehört ..."

Und hier knüpfe ich meine nächste Frage an: Dürfen Sie über mögliche Gefahren sprechen, die auf den Meeren lauern, wie Piraterie und Monsterwellen?

Damaschke Es gibt Gefahren. Man ist nicht unverwundbar, aber wir sind gegen Piraterie gut vorbereitet. Schlechtwetter versucht man zu umgehen. Ab einer bestimmten Wellenhöhe, über die uns die Wettervorhersage informiert, versucht man, das Gebiet zu verlassen, auch wenn dann ein Hafen ausfällt: Safety first! Sollte man schlechtes Wetter nicht vermeiden können, so sind aber Schiffe auch dafür gebaut und zum Beispiel mit den nötigen Stabilisatoren ausgerüstet.

Wie steht es um die Zukunft des Kreuzfahrtwesens?

Damaschke Kreuzfahrttourismus ist ein sehr stark expandierender Markt. Es ist eine ganz besondere Art des Reisens: Sie sind jeden Tag woanders und nehmen Ihr Hotelzimmer gewissermaßen mit. Es gibt keine andere Form des Urlaubmachens, die diesen Komfort ermöglicht. Zudem ist es eine sehr schöne Variante, fremde Kulturen kennen zu lernen.

In welcher Konkurrenz steht die MS Europa international gesehen?

Damaschke Das ist immer eine Sache des Service. Mehr als die Hälfte unserer Gäste kommt zwei Mal im Jahr an Bord. Nichtsdestoweniger muss man sich bewegen und schauen, was andere machen. Ich denke, jedes Schiff hat seine Berechtigung, jedes Schiff hat irgendeine Kleinigkeit, die andere nicht haben. Bei uns ist es die Kategorie "5 Sterne plus", die für allerhöchsten Service steht.

Haben Sie als Kapitän darauf Einfluss?

Damaschke Man muss seine Besatzung immer wieder dazu anhalten, Höchstleistung zu bringen. Als Kapitän erhalten Sie das Feedback von den Gästen, die einem sagen, wo's Schwachpunkte gibt. Das setze ich dann sehr schnell um, und es bedarf manchmal nur eines Handzeichens oder einiger weniger Sätze ...

Wann starten Sie zu Ihrer nächsten Reise, und wo führt sie hin?

Damaschke Am 25. November nach Teneriffa. Das ist ein Teil der Weltreise bis Australien.

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