Rhein-Kreis Neuss Anwalt: Braeuer stand Geld zu

Rhein-Kreis Neuss · Rhein-Kreis Neuss Mit einem Paukenschlag begann am Dienstag am Schöffengericht Mönchengladbach der Prozess gegen den früheren Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Rhein-Kreis Neuss, Ulrich Braeuer.

 „Mein Mandant wird von seinem Schweigerecht Gebrauch machen“: Dr. Herbert Waider (rechts) mit dem Angeklagten Ulrich Braeuer auf dem Gerichtsflur. Am Dienstag begann der Prozess gegen den ehemaligen AWO-Geschäftsführer.

„Mein Mandant wird von seinem Schweigerecht Gebrauch machen“: Dr. Herbert Waider (rechts) mit dem Angeklagten Ulrich Braeuer auf dem Gerichtsflur. Am Dienstag begann der Prozess gegen den ehemaligen AWO-Geschäftsführer.

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Rhein-Kreis Neuss Mit einem Paukenschlag begann am Dienstag am Schöffengericht Mönchengladbach der Prozess gegen den früheren Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Rhein-Kreis Neuss, Ulrich Braeuer.

 Ulrich Braeuer beim ersten Prozess 2007.

Ulrich Braeuer beim ersten Prozess 2007.

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Der 58-Jährige ließ über seinen Anwalt verlauten, er sei sich keiner Schuld bewusst. Das laut Staatsanwaltschaft veruntreute Geld habe ihm sogar zugestanden - von Geständnis oder Reue keine Spur.

Das Verfahren war am ersten Tag ein Spiegelbild der vergangenen viereinhalb Jahre, in denen es auch auf Seiten der Justiz etliche Verzögerungen gegeben hatte. Nach der Verlesung der Anklage und einem Gespräch zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richtern war nach rund anderthalb Stunden "Feierabend" - erst in der kommenden Woche sollen die ersten Zeugen gehört werden. Immerhin erfuhren die zahlreichen Zuschauer aus den Reihen der AWO im Rhein-Kreis Neuss aus der Anklage, was Ulrich Braeuer laut Ermittlungen hinter ihrem Rücken getrieben haben soll.

So sollen die kriminellen Machenschaften des 58-Jährigen bereits im Mai 1997 begonnen haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat Braeuer in Dutzenden von Fällen Geld in Form von Barschecks von diversen AWO-Konten abgehoben und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Mal waren es umgerechnet wenige hundert Euro, mal aber auch knapp 10 000 Euro - und das immer wieder innerhalb weniger Tagen. Mit der Zeit soll Braeuer offenbar immer gieriger geworden sein: Während er nach Angaben der Ermittler in den Jahren 1997 und 1998 insgesamt knapp 90 000 Euro beiseite schaffte, waren es zwischen 1999 und 2001 schon 215 000 Euro.

Dazu kommen angeblich Sonderzahlungen, die sich Braeuer zusätzlich genehmigt haben soll. So soll er vom Konto des Kindergartens Gustorf 6000 Euro veruntreut haben, 1000 Euro mussten angeblich für einen Griechenland-Urlaub herhalten, und weitere 26 000 Euro verschwanden von einem Konto der AWO-Familienhilfe. Auch die Mutter des früheren SPD-Politikers war zumindest namentlich in die Machenschaften eingebunden. Jahrelang ließ der Grevenbroicher ihr angeblich ein monatliches Gehalt von mehr als 300 Euro überweisen - und das, obwohl sie bereits seit Jahren in Rente war. Letztmals soll Braeuer Anfang Februar 2002 lange Finger gemacht haben.

Da soll er 90 000 Euro vom Stadtverband Meerbusch erhalten und für eigene Zwecke verwendet haben. Insgesamt spricht die Staatsanwaltschaft von 175 Untreue-Fällen und einem Schaden von 428 000 Euro - ein laut Strafgesetzbuch "Vermögensverlust von großem Ausmaß". Allerdings war Braeuer nicht allein tätig: Seine frühere Stellvertreterin Brigitte R. soll ihm kräftig geholfen haben, auch sie sitzt nun auf der Anklagebank.

Äußern wollten sich Braeuer und die Mitangeklagte indes zu den Vorwürfen nicht. "Mein Mandant wird von seinem Schweigerecht Gebrauch machen", erklärte Verteidiger Dr. Herbert Waider. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass sich der 58-Jährige keiner Schuld bewusst ist. "Herr Braeuer ist der Meinung, dass er ein Anrecht auf das Geld hatte", so der Jurist.

Derartige Sätze und die Einzelheiten aus der Anklage verschlug den ins Gericht gekommenen AWO-Mitgliedern fast die Sprache. "Wir konnten es schon damals nicht glauben", so Rosmarie Lambrecht, Vorsitzende des AWO-Ortsvereins Neukirchen-Hülchrath. "Ich bin menschlich von beiden Angeklagten tief enttäuscht. Wir erwarten jetzt von der Justiz ein hartes Durchgreifen", meinte sie. Der Vorsitzende des AWO-Kreisverbands, Hans-Gregor Kremer, erklärte, man erhoffe sich in erster Linie Aufklärung.

"Es muss hier festgestellt werden, dass Herr Braeuer diese ganze Situation verschuldet hat", erklärte Kremer, "wir kämpfen nach wie vor fast täglich ums finanzielle Überleben."

Heftig kritisiert wurde von vielen Zuschauern auch der damalige AWO-Vorstand, der dem Treiben von Braeuer offenbar tatenlos zugesehen habe. "Man kann sich auch schuldig machen, ohne selbst einen Cent zu nehmen", sagte Kremer.

(NGZ)
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