Remscheid Zeitzeugin berichtet von der Nazi-Zeit

Remscheid · Schüler der Albert-Einstein-Schule (AES) hatten gestern die 86-jährige Renate Inow aus London zu Gast. Die deutsch-jüdische Zeitzeugin des Zweiten Weltkrieges, gebürtig aus Wuppertal-Elberfeld, war auf Einladung des Vereins Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal mit Leiterin Dr. Ulrike Schrader gekommen. Eindrucksvoll berichtete sie den Schülern von ihren Erlebnissen als Kind in der Nazizeit und vom Kindertransport, mit dem sie 1939, bei Kriegsausbruch, ohne Eltern, nach London gebracht wurde. Es war lebendige Geschichte, was die 15 bis 16-jährigen Schüler einer Religionsklasse der AES gestern mit Renate Inow erlebten: In einem Stuhlkreis saßen sie mit der Zeitzeugin zusammen, stellten ihr Fragen und erfuhren ein Stück erzählter deutscher Geschichte, fernab der Bücher, TV-Dokumentationen und Wikipedia-Einträgen Die 86-jährige nahm sich viel Zeit, beantwortete alle Fragen, ehrlich und offenherzig. Etwas wozu sie lange nicht in der Lage war: "So viel wie heute, habe ich noch nie geredet."

 Zeitzeugin Renate Inow berichtete im Kreis von Schülern der Albert-Einstein-Schule von ihren Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges.

Zeitzeugin Renate Inow berichtete im Kreis von Schülern der Albert-Einstein-Schule von ihren Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges.

Foto: J. Moll

Nach außen hin habe sie immer gelacht, "doch innerlich war ich lange sehr unglücklich. Erst als ich alt war, bin ich lockerer geworden." Mit der Zeit habe sich ihr Hass gegenüber Deutschland und den Deutschen gemildert. Mit deutschen Senioren könne sie aber nach wie vor nicht reden: "Wenn ich ältere Deutsche sehe, stelle ich mir immer automatisch die Frage, was sie wohl in der Nazizeit getan haben." Die Erlebnisse vor und während des Zweiten Weltkrieges, die Trennung ihrer sehr harmonischen Familie, die Beteiligung ihres Bruders und ihrer Cousins als britische Soldaten im Krieg gegen die Nazis und schließlich die Deportierung und Ermordung ihrer Eltern, von der sie mit 16 Jahren erfuhr, habe sie geprägt: "Ich war nie ein normaler Teenager und hatte immer das tiefe Gefühl, dass ich Hilfe brauche." Doch sprechen konnte sie mit niemanden. Nur Schülern gegenüber fasst die heute 86-Jährige den Mut, um über ihre Vergangenheit zu reden. "Ich empfinde es als meine Verantwortung, den jungen Leuten heute von früher zu berichten." Für die Schüler war das sehr beeindruckend: "Normalerweise erhält man im Unterricht ein Gesamtbild der damaligen Situation", sagte Gabriel (16). "Aber direkt von einer Zeitzeugin zu erfahren, was damals passierte und wie sie es persönlich erlebte, hat mich sehr gefesselt und mir einen ganz anderen Einblick gegeben."

(sebu)
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