Harald Mitfessel Werbefreie Zone auf öffentlichen Plätzen

Remscheid · Der Lungenfacharzt will mit der Aktion "Tabakprävention stärken" vor allem die Gruppe der Elfjährigen erreichen.

Herr Mitfessel, haben Sie schon mal geraucht?

Mitfessel Natürlich. Ich bin auch Suchtraucher gewesen. Allerdings habe ich 1971 im Studium aufgehört zu rauchen. Bis dahin habe ich 20 bis 30 Zigaretten geraucht.

Warum haben Sie aufgehört?

Mitfessel Nicht aus gesundheitlichen Gründen. Ich habe damals Sport gemacht und festgestellt, dass ich leistungsmäßig schlechter wurde. Und ich habe gemerkt: Ich bin süchtig. Weil ich das weiß, habe ich auch seitdem nie wieder eine Zigarette angepackt. Rauchen ist zwar noch eine legale Droge. Aber laut Weltgesundheitsorganisation eine Sucht, die Alkohol und anderen Drogen gleichkommt.

Finden Sie, dass in Filmen immer noch zu viel geraucht wird?

Mitfessel Das ist so. Wir Lungenärzte und unser Verband der deutschen Gesellschaft für Pneumologie wenden uns dagegen. Am Tag werden ja etwa 100 Krimis gezeigt. Ein Großteil der Kommissare raucht. Wir wissen auch, dass dies einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, nicht unbedingt bei den Erwachsenen, sondern bei den Kindern und Jugendlichen, um die es uns geht. Für die ist das cool. Rauchen ist für sie ein Inbegriff des Erwachsenseins. Solche Filme sind Werbung für das Rauchen.

Es ist in den vergangenen Jahren viel passiert durch das Nichtraucherschutz-Gesetz. Es gibt Nichtraucherzonen. Auf jeder Packung steht, Rauchen kann tödlich sein. Sind diese Maßnahmen effektiv genug ?

Mitfessel Sie sind ein Weg. Bilder von Krebs und Toten sind abschreckend. Jeder Schritt, mit dem man der Sucht entgegentritt, ist begrüßenswert. Aber es ist nicht die Lösung des Problems.

Was könnte denn die Lösung des Problems sein ?

Mitfessel Die Lösung wäre, wenn man zum Beispiel die Werbung auf öffentlichen Flächen komplett einstellen würde. Die Lösung wäre auch, besser über die Schäden zu informieren, zum Beispiel über Internetforen. Da gibt es Städte wie Düsseldorf und insbesondere Hamburg, die machen das sehr gut. Das ist vor allem gut geeignet für Kinder im Alter von elf bis vierzehn Jahren, weil wir diese Altersgruppe so noch erreichen können und bei denen am meisten Erfolg haben.

Welche Funktion haben die Eltern?

Mitfessel Die sind ein wichtiges Tool. Bei Eltern, die rauchen, ist die Überzeugungskraft, Kinder nicht zum Rauchen zu bringen, deutlich schlechter. Das gilt auch für die Vorbildfunktion von Lehrern. Eltern und Lehrer bekommen als Erste mit, ob ihr Kind/Schüler gefährdet ist für's Rauchen.

Wenn Sie einen Elfjährigen rauchen sehen, was würden Sie ihm sagen?

Mitfessel Ich würde ihm das keinesfalls verbieten in der Form der militanten Bevormundung. Das würde die Kids in die Opposition treiben, dann rauchen sie erst recht. Man muss mit Kinder sprechen. Das hat bei der Aktion "Be smart, don't start" (ein Wettbewerb für rauchfreie Schulen / Anm. d. Redaktion) sehr gut funktioniert. Ich habe das viele Jahre begleitet. Wenn man mit Kindern in diesem Alter über die Krankheitsfolgen spricht und auch über die tödlichen Gefahren, und vor allem über die Werbung, dann erreicht man mehr, als bei den Älteren. Wir konzentrieren uns auf die Prävention, auf junge Menschen, die noch nicht dem Rauchen verfallen sind. Einfach zu sagen, mach die Zigarette aus, würde überhaupt nicht mehr helfen.

Der Freundeskreis der Kinder spielt auch eine wichtige Rolle?

Mitfessel Unbedingt. Deswegen fordern wir auch in den Schulen, mehr zu tun als nur Hinweisschilder aufzustellen und rauchfreie Zonen einzurichten. Wir fordern einen Schutzbereich von 100 Metern. Der ist juristisch schwer durchzusetzen. Aber wir wissen, wenn vor der Schule die Älteren rauchen, gelten diese für die Jungen als erwachsenes Vorbild. Wenn du rauchst, bist du männlich, sagen die Jungs, wenn du rauchst, bist du cool, die Mädchen.

Zu Rauchen unterliegt aber immer noch der freien Entscheidung. Wer raucht, tut nichts Verbotenes . . .

Mitfessel Die Freiheit, die man hat, ist selbst zu sagen, ob ich rauche oder nicht. Auf der anderen Seite steht die Abhängigkeit, die die Kids irgendwann mitbekommen. Das ist das Gegenargument. Deswegen finde ich die Kampagne "be smart, don't start" so gut. Das Geheimrezept ist, dass nicht Eltern oder Lehrer die Kontrolle haben, sondern die Kids sich selbst kontrolliert haben.

Was erwarten Sie von der Stadt und der Politik für ihre Aktion?

Mitfessel Wir als Mediziner können das nur im Verbund mit "sympathischer Synergie" schaffen. Wir hatten bereits das erste Arbeitskreistreffen im Gesundheitsamt. Ich erwarte die Bereitschaft, uns anzuhören. Und dass zum Beispiel alle Schulleiter wieder angeschrieben werden mit der Nachfrage, ob vor Ort das Nichtraucherschutzgesetz verwirklicht wurde. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Werbung fürs Rauchen auf öffentlichen Plätzen eingestellt werden kann. Ich würde mir wünschen, wenn das Ordnungsamt weiter Testläufe in Geschäften macht. Ich hoffe, dass wir uns in einem konstruktiven Kampf diesem Problem weiter stellen.

CHRISTIAN PEISELER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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