Westdeutsches Tournee-Theater Wenn Gier das Wünschen zerstört

Remscheid · Das Westdeutsche Tourneetheater führt Grimms Märchen vom „Fischer und seiner Frau“ auf. Eine Inszenierung mit vielen unterhaltsamen Elementen und einer klaren Moral. Auf der Bühne wird Platt gesprochen.

 Bjön Lenz als Fiete angelt den sprechenden Butt. Szene aus der Inszenierung von „Der Fischer und seine Frau“ des WTT.

Bjön Lenz als Fiete angelt den sprechenden Butt. Szene aus der Inszenierung von „Der Fischer und seine Frau“ des WTT.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

„Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, meine Frau die Ilsebill, will nicht so, wie ich es will.“ Männer tun alles, um ihren Frauen zu gefallen. Jedenfalls im Märchen. Fiete, der Fischer, hat einen häßlichen Butt an der Angel. Er lässt ihn frei. Aus Dank kann er sich der Fähigkeit des sprechenden Fischs bedienen, jeglichen Wunsch zu erfüllen. Fiete ahnt nicht, dass er mit dem Butt die pure Versuchung geangelt hat, immer mehr zu wollen. Eine Versuchung, der seine Frau Ilsebill gnadenlos unterliegt. So schickt sie Fiete immer wieder auf See, damit ihre Wünsche in Erfüllung gehen.

Für Claudia Sowa, Intendantin des Westdeutschen Tourneetheaters, zählt die Geschichte vom „Fischer und seiner Frau“ zu den ernsten Märchen der Gebrüder Grimm. „Wer gierig ist, dem bleibt am Ende nichts“, fasst die Regisseurin die Botschaft zusammen. Doch das Ensemble des WTT ist weit davon entfernt, die Moralkeule zu schwingen und das Wünschen zu verteufeln. Das Theater gibt sich nicht als Anstalt mit geheimem Erziehungsauftrag. Es will in erster Linie Unterhaltung zeigen. Der Titel deutet an, in welchem Gewässer die Inszenierung des Märchens im „theater im studio“ schippern will: „Die Frau vom Fischer und der Fischer selber“. Außerdem erhält die Fassung von Katrin Lange in der sprachlichen Gestaltung eine frische Brise. Platt-Deutsch ist die Bühnensprache, mit deutlicher nordfriesischer Einfärbung. So ein bisschen Ohnsorg-Theaterslang. Da reichen ein paar lautmalerische Vokale ohne erkennbare Bedeutung, aber alle wissen Bescheid und nicken sich zu.

Die Geschichte vom maßlosen Wünschen hat eine Szene, bei der die Zuschauer buhen dürfen. Ilsebill pumpt sich auf als Superstar und singt einen Pop-Son. Den Text hat Sowa geschrieben. Grottenschlecht. Katrin Mattila als Ilsebill singt ihn. Grottengrottenschlecht. Zum Weglaufen. Und wer auf offener Bühne so viel Ablehnung erfährt, will nur noch höher hinaus. Ilsebill will Königin werden. Das reicht ihr nicht. Sie will Papst werden. Das reicht ihr nicht. Also will sie allmächtig werden, Gott werden.

Diesen Wunsch kann der Butt nicht erfüllen. Zum Glück für ihn. Denn sobald er einen Wunsch nicht erfüllen kann, ist der verzauberte Prinz erlöst. Und Ilselbill steht vor dem Nichts. Da es sich um ein Märchen handelt, bleibt Fiete an ihrer Seite. Die beiden richten sich wieder ein in ihrem bescheidenen Glück.

Sowa möchte das Märchen nicht binär erzählen, hier die Guten, dort die Bösen. Ilsebills Wünsche, aus ihren beengten Verhältnissen auszubrechen, in andere Lebenswelten aufzusteigen, spiegelt ein menschliches Streben wieder. Der Ehrgeiz kippt in dem Augenblick, wo die Gier das Kommando übernimmt, und Ilsebill sich in eine ständige Überforderung begibt. Um Superstar zu sein oder Königin, dazu braucht es Format und Kompetenz.

Die WTT-Fassung ist ein Stück für vier Personen und einen Schirm. Schirme aller Art hat Bühnenbildner Peter Strieder im Ausverkauf erstanden. Mit wenigen Handgriffen entsteht das offene Meer oder ein kleines Haus. Der schönste Schirm ist der mit dem Butt-Gesicht. Manntje, Manntje, Timpe Te.

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