Streit unter Nachbarn in Remscheid Angeklagte rassistisch beleidigt

Remscheid · Eine 36-Jährige und ihr Bruder waren verurteilt worden, nachdem sie einen Nachbarn angegriffen hatten. Die Hintergründe sind allerdings erschreckend. Die Strafe wurde in der Berufung reduziert.

Üblicherweise sind es die Opfer, die vor Gericht über ihr Leid sprechen. In diesem Prozess allerdings waren es die beiden Angeklagten, die unter seelischen Belastungsstörungen leiden und teils in psychiatrischer Behandlung sind. Auf der Anklagebank: Eine Frau (36) und deren Bruder (28), beide mit Migrationshintergrund.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Geschwistern vor, im Juni 2020 einen Nachbarn und dessen Lebensgefährtin im Hausflur eines Mehrfamilienhauses in der Hans-Böckler-Straße angegriffen zu haben. Weitere Familienangehörige sollen mitgeholfen haben, die Frau an die Wand zu drücken. Deren Lebensgefährte soll von der Angeklagten mit Pfefferspray besprüht worden sein, eine Nachbarin soll ihn zum Schutz aus dem Flur in ihre Wohnung gezogen haben. Zwei Wochen lang sei seine Sehkraft beeinträchtigt gewesen, mittlerweile sei er aus dem Haus ausgezogen.

Noch vor Prozessbeginn habe er sich ausgesöhnt mit der türkischen Familie, die schon seit 30 Jahren in dem Haus wohne. Man habe sich gegenseitig entschuldigt – und ja, es habe im Vorfeld der Tat rassistische Beleidigungen gegeben. Nicht nur in diesem Haus, sondern auch von ringsherum. „Was dort los war…“, setzte der Mann an, um dann jedoch abrupt abzubrechen mit den Worten: „Das ist jetzt vorbei, ich bin da weg.“

Als Prozessbeobachter konnte man nur erahnen, was sich in dem Mehrfamilienhaus über die Jahre hinweg hochgeschaukelt hatte. Eine Nachbarin, die auch schon mehr als drei Jahrzehnte in dem Haus wohne, sei besonders schlimm gewesen – so der Zeuge, der zum Opfer des Pfefferspray-Angriffs geworden war. Sie selbst sei nie in Erscheinung getreten, habe allerdings die anderen aufgehetzt.

Von den Angeklagten war zu hören, dass über sie gelacht und gelästert worden sei. Nachbarn stünden – den Hitler-Gruß proklamierend an den Fenstern und würden schreien: „Scheiß Ausländer, verpisst euch aus unserem Land“. Sie seien damit bedroht worden, dass man ihnen die Kehlen durchschneiden werde. So laufe es schon seit Jahren. Anzeigen bei der Polizei seien ins Leere gelaufen, und teils auch mit Gegenanzeigen beantwortet worden. Die Nerven lagen offenbar blank, den Angriff im Treppenhaus bestritten die angeklagten Geschwister nicht. Das Amtsgericht hatte die 36-Jährige zu zehn und ihren Bruder (28) zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, die Berufungskammer hat die Strafen auf sieben Monate für die Frau und vier Monate für den Mann reduziert.

Der Staatsanwalt war zwischenzeitlich hellhörig geworden, als es um die rassistischen Entgleisungen der Hausbewohner ging. Sollte es weitere Anzeigen geben, dürfte man hier wohl genauer hinschauen.

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