Kanu Erfolgreiche Paddel-Brüder

Wolfram und Hartmut Faust haben als Canadier-Fahrer 26 DM-Titel gesammelt. Hinzu kommen einmal WM-Bronze und zwei Teilnahmen an Olympia in Los Angeles und Seoul. Gestern waren die beiden Radevormwalder zu Gast im BM-Olympiastudio.

Als gestern die Titelverteidiger und Weltmeister Christian Gille und Tomasz Wylenzek im Vorlauf über 1000 Meter kraftvoll in See stechen, paddeln Wolfram und Hartmut Faust gedanklich mit. Das Radevormwalder Brüderpaar, in den 80er-Jahren im Zweier-Canadier eine Klasse für sich, kennt die Olympia-Atmosphäre nur zu gut. Gemeinsam schafften sie es 1984 nach Los Angeles und 1988 nach Seoul. Heute haben beide außer grundsätzlichem Interesse nicht mehr viel am Hut mit dem Leistungssport-Zirkus. Hartmut Faust formuliert das so: "Wenn ich die Wahl habe, zwischen einer Stunde Olympia im Fernsehen und einer Stunde aktivem Sport, dann schalte ich immer den Fernseher aus."

Verschwundenes Zielfoto

Dabei war der Sport lange Zeit der Mittelpunkt ihres Lebens. Gemeinsam mit den beiden Schwestern — die es übrigens auch zu DM-Ehren brachten — begannen sie als Heranwachsende bei der KSG Wuppertal und entwickelten sich dort so prächtig, dass Erfolge nicht lange auf sich Warten ließen. Aber nicht nur der sportliche Ehrgeiz wurde gestillt, auch die Abenteuerlust. "Bis auf Südamerika bin ich durch den Sport schon auf alle Kontinente gekommen", sagt Wolfram Faust. Entsprechende Erlebnisse inklusive: Einmal wurden sie im Polen des Jaruzelski-Regimes in Stettin wegen eines Missverständnisses kurzzeitig verhaftet, ein anders Mal bei einer Regatta in der damaligen DDR vom Sieger zum Viertplatzierten zurückgestuft — man hatte zuvor kurzerhand das Zielfoto verschwinden lassen.

Unvergessen auch die Einladung nach China 1986. Im Rahmen einer "sportlichen Entwicklungshilfe" fuhren sechs ausgewählte deutsche Kanuten ins Reich der Mitte. Faust/Faust wurden prompt Chinesischer Meister — "in einem aus Kunststoff und Wellpappe geklöppelten Schrottboot der Chinesen", wie sich Wolfram Faust schmunzelnd erinnert. Sein Bruder amüsiert sich dagegen noch über die damals von den Gastgebern ausgeteilten Fragebögen: "Die wollten uns vermessen und wissen, welche Spannweite unsere Arme haben oder wie lang die Beine sind. Da haben wir die abenteuerlichsten Angaben gemacht. Ich glaub', die Chinesen haben später ziemlich große Augen gemacht."

Natürlich hinterließen auch die Olympischen Spiele bleibenden Eindruck. Zum Beispiel der Hinflug nach Seoul, als Wolfram Faust neben Steffi Graf saß — kurz vor ihrem "Golden Slam". Oder die Unterbringung in Los Angeles vier Jahre zuvor: "Weil unsere Wettkämpfe weit außerhalb der Stadt waren, hatten wir unser eigenes Olympisches Dorf — und bekamen da so gut wie nichts von der Atmosphäre mit", erinnert sich Hartmut Faust.

Ein anderes Erlebnis läuft den beiden noch heute manchmal über die Bettdecke: der Endlauf über 1000 Meter in Seoul. Da hatten sie Bronze so gut wie sicher, als ihr Canadier in die Heckwelle der späteren Olympia-Sieger Reineiski/Jurawski (UdSSR) kam. Das Boot geriet außer Kontrolle, Bronze war weg, am Ende blieb nur Rang fünf. Was finanzielle Folgen hatte: "Rund 40 000 D-Mark sind uns damals wegen entgangener Sponsoren-Verträge durch die Lappen gegangen", rechnet Wolfram Faust.

Doch auch ohne das Geld hat das Brüderpaar nach der aktiven Karriere seinen Weg gemacht. Hartmut, gelernter Klavierbauer, führt in Barmen in vierter Generation das elterliche Geschäft "Piano Faust". Derweil hat sein Bruder das ehemalige Hobby zum Beruf gemacht: Mit der Agentur "AP-Conclusion" organisiert Wolfram Faust Veranstaltungen mit Drachenbooten. Eine Disziplin, die er selber vor 19 Jahren in den USA entdeckt und nach Deutschland importiert hat.

Heute hat das Paddeln im Canadier für die beiden Familienväter nur noch TV-Hingucker-Qualitäten. "Ich will ja nicht, dass die Leute über mich lachen", sagt Wolfram Faust augenzwinkernd, "außerdem sind die Boote heute nur noch so breit wie eine Dachrinne. Da passe ich gar nicht mehr rein."

(RP)
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