Mitbestimmung in Remscheid Sozialwahl: Rente und Krankenkasse mitbestimmen

Remscheid · 52 Millionen Deutsche sind zur Sozialwahl aufgefordert. Doch kaum jemand weiß, was das genau bedeutet, viele Wahlunterlagen landen im Papiermüll. Wir klären auf, was dahintersteckt. Denn unwichtig ist die drittgrößte Wahl in Deutschland nicht.

 Obwohl die Sozialwahl die drittgrößte Wahl in Deutschland ist, haben 2017 nur 30 Prozent der Stimmberechtigten teilgenommen.

Obwohl die Sozialwahl die drittgrößte Wahl in Deutschland ist, haben 2017 nur 30 Prozent der Stimmberechtigten teilgenommen.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

Der junge Mann zuckt mit den Schultern. „Sozialwahl? Was soll das sein?“, fragt sich der 37-jährige Remscheider. So geht es auch der 35-jährigen Jenny. „Mir sagt die Sozialwahl gar nichts, da habe ich mich wirklich noch nie mit befasst.“

So wie Jenny und Christof geht es einem Großteil der rund 52 Millionen Wahlberechtigten: Darunter fallen alle, die mindestens 16 Jahre alt sind und eigenständig in eine der gesetzlichen Krankenkassen und / oder in die Rentenversicherung einzahlen. Sie alle haben im Laufe der vergangenen Wochen ihre Wahlunterlagen in einem roten Umschlag zugeschickt bekommen. Ausnahmen sind Versicherte der Krankenkassen (etwa der AOK), deren Wahlvorschlaglisten nicht mehr Bewerber als Mitglieder haben und somit eine Wahl nicht nötig ist.

Was genau aber bewirkt eigentlich die Sozialwahl? Bei der Sozialwahl werden sowohl die Verwaltungsräte der Krankenkassen als auch die Vertreterversammlung der Rentenversicherung gewählt. „Diese ehrenamtlich tätigen Mitglieder sind jeweils zu 50 Prozent Vertreter der Versicherten und Vertreter der Arbeitgeber und setzen sich für die Interessen der Versicherten ein“, erklärt Christiane Otto, AOK-Regionaldirektorin der Direktion Bergisches Land.

Bei der Rentenversicherung mit einem öffentlichen Haushalt von rund 174 Milliarden Euro soll die gewählte Vertreterversammlung dafür Sorge tragen, dass die Beiträge im Sinne der Versicherten eingesetzt werden. So wurden zum Beispiel in der vergangenen sechsjährigen Legislaturperiode die Post-Covid-Reha und die ambulante Kinder-Reha eingeführt. Dies ist möglich, weil das Sozialparlament nach dem Prinzip der Selbstverwaltung agiert. Nicht alles ist gesetzlich vom Staat vorgeschrieben, es gibt einen eigenen Handlungsspielraum. Darauf basierend obliegt es etwa dem gewählten Verwaltungsrat der Krankenkassen, neben den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen auch sogenannte „Mehrleistungen“ in die Satzung aufzunehmen.

Kurz gesagt: Durch das Wahlrecht können die Mitglieder im weitesten Sinne darauf Einfluss nehmen, welche Behandlungskosten künftig von den Versicherungen übernommen oder welche Medikamente vielleicht nicht mehr selbst bezahlt werden müssen. Und: Der Verwaltungsrat wirkt bei der Benennung der Widerspruchsausschüsse vor Ort. „Der Widerspruchsausschuss beschäftigt sich mit Entscheidungen der Krankenkasse, die für den Versicherten nicht zufriedenstellend verlaufen. Diese müssen vom Versicherten nicht ohne Wenn und Aber hingenommen werden, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt“, erläutert Christiane Otto.

Die 35-jährige Jenny zeigt sich (positiv) überrascht, hat selbst schon Differenzen mit ihrer Krankenkasse gehabt. „Als ich noch jünger war, riet mir der Gynäkologe zu einer speziellen Anti-Baby-Pille, die meinen gestörten Hormonhaushalt regulieren sollte, auch vor dem Hinblick eines eventuellen späteren Kinderwunsches. Doch die Mehrkosten für diese spezielle Pille wollte die Versicherung nicht übernehmen. Hätte ich damals gewusst, dass ich dagegen widersprechen kann, hätte ich das auch gemacht.“

Gewählt werden keine Einzelpersonen, sondern mehrere Kandidaten einer Organisation. Noch bis einschließlich Mittwoch, 31. Mai, kann erstmals auch online gewählt werden: www.sozialwahl.de. Die nötigen Einwahldaten finden sich in den postalisch zugesandten Wahlunterlagen.

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