Remscheid Sorge um bergische Wahrzeichen

Remscheid · Der maroden Müngstener Brücke in Solingen droht die Sperrung, Schloss Burg fehlt Geld für notwendige Bauarbeiten, und die Wuppertaler Schwebebahn wird im Sommer erneut stillgelegt, um das Gerüst zu sanieren. Damit stecken alle Touristen-Attraktionen der Region in der Krise.

 Wuppertal ist Schlusslicht im Danymikranking.

Wuppertal ist Schlusslicht im Danymikranking.

Foto: ddp

Michael Grützner beschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn er an den Zustand der Müngstener Brücke denkt. "Ich mag nicht daran denken, wie lange die Lager des Bauwerks schon marode sein könnten", sagt der Solinger Rechtsanwalt. Er hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet — wegen Gefährdung des Bahnverkehrs.

Remscheid: Sorge um bergische Wahrzeichen
Foto: Gottfried Evers

Noch ist unklar, ob die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wirklich aufnimmt. Fakt ist: Das Eisenbahnbundesamt in Bonn hat die Deutsche Bahn aufgefordert, die Sicherheit der 113 Jahre alten Brücke nachzuweisen. Bis dahin dürfen die Konstruktion Güterzüge überhaupt nicht und Passagierzüge nur mit 10 km/h passieren. Erfüllt die Bahn die Auflagen bis 30. September nicht, droht die Sperrung.

"Dass wir so deutliche Sicherheitsanweisungen aussprechen, ist eher ungewöhnlich", erklärt Ralph Fischer, Sprecher des Eisenbahnbundesamtes. Soll heißen: Die Lage ist ernst. Die Behörde befürchtet, dass die Brücke in ihrer Belastungsfähigkeit eingeschränkt ist und die Spannung eines fahrenden Zuges nicht mehr aufnehmen könnte. Grund für die Annahme sind Schäden an den so genannten Loslagern der Brücke. "Den Hinweis auf eine mögliche Sperrung sehen wir als nachdrückliche Motivation für die Bahn, sich der Problematik zu widmen", sagt Fischer.

Tatsächlich will die Bahn, so ein Sprecher, in den nächsten Wochen Laser-Messinstrumente an der Brücke installieren, um die Kräfteverteilung zu überprüfen. Außerdem soll ein umfassendes Sicherheits-Gutachten erstellt werden. "Wir gehen davon aus, dass wir bis 30. September Ergebnisse haben", so der Bahn-Sprecher. Für das Müngstener Brückenfest, ein Touristen-Magnet in der Region, könnte das allerdings zu spät sein. Höhepunkt des Festes im Oktober sind historische Dampflokomotiven, die über die Brücke fahren. Doch für die schweren Ungetüme ist das Bauwerk zurzeit nicht freigegeben. "Ein Brückenfest wird stattfinden", verspricht Frank Balkenhohl, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Solingen, "aber vielleicht müssen wir in diesem Jahr kleinere Brötchen backen und auf große Loks verzichten."

Die Müngstener Brücke ist nicht das einzige bergische Wahrzeichen, um das es derzeit schlecht steht. Im Ausflugsziel Schloss Burg liegen dringende Sanierungsprojekte auf Eis. In den Kommunen fehlt das Geld. Die SPD brachte sogar den Vorschlag ins Spiel, im Schloss ein Spielcasino einzurichten — allerdings sind die in NRW erlaubten vier Casino-Zulassungen längst vergeben. Eigentümer von Schloss Burg sind die Städte Solingen (48 Prozent), Remscheid (31 Prozent) und Wuppertal (21 Prozent), Betreiber ist der Schlossbauverein. "Gerade laufen Verhandlungen darüber, wie etwa die Finanzierung zwischen Anteilseignern und Verein neu aufgestellt werden kann", sagt Axel Kolodziej, Geschäftsführer des Schlossbauvereins.

Bis zum Spätsommer soll das reformierte Konzept stehen. Für die historische Anlage ist das eine wichtige Entscheidung, besteht doch fast permanent Sanierungsbedarf. "Schloss Burg ist ein altehrwürdiges Denkmal wie der Kölner Dom und bräuchte eigentlich ebenfalls eine eigene Bauhütte", sagt Kolodziej. Wirklich beunruhigt über die Zukunft des Bauwerkes ist er aber nicht. "Allen Beteiligten ist klar, welch großen Stellenwert Schloss Burg in der Region hat."

Ebenso wichtig über die regionalen Grenzen hinaus ist die Wuppertaler Schwebebahn — aber auch an ihr nagt der Zahn der Zeit. Bis vor kurzem stand die Bahn monatelang still, weil es Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Gerüstes gab. Nun fährt die Schwebebahn zwar wieder — muss jedoch im Sommer erneut ins Depot, weil eine wichtige Stütze ausgetauscht wird. Allein der Zoo Wuppertal kalkuliert daher in diesem Jahr mit einem Minus von rund 100 000 Besuchern. Manche Einzelhändler klagten in der Zeit des Stillstands über rund 50 Prozent Umsatzeinbruch.

Die bergischen Wahrzeichen sind also auch wichtige Wirtschaftsfaktoren, holen Kaufkraft in eine finanzschwache Region. Für Anwalt Grützner ist es deshalb schwer vorstellbar, wenn die Menschen nicht mehr wie gewohnt über die Müngstener Brücke nach Solingen reisen könnten. Ralph Fischer vom Eisenbahnbundesamt äußert sich zwar sehr vorsichtig zu der beabsichtigten Sperrung. Fest stehe aber: "Bisher hat die Bahn nur Absichtserklärungen geäußert."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort