Remscheid Somalier (19) lebt im Kirchenasyl langsam etwas auf

Remscheid · Die evangelische Stadtkirchengemeinde gewährt dem vom Abschiebung bedrohten Bootsflüchtling seit Juni Obdach und viele Hilfen.

 Annette Cersovsky gehört zum Betreuerkreis des Flüchtlings.

Annette Cersovsky gehört zum Betreuerkreis des Flüchtlings.

Foto: Archiv

Der 19-jährige Bootsflüchtling aus Somalia, der dreieinhalb Jahre auf der Flucht war, kommt in Remscheid unter der Obhut der evangelischen Stadtkirchengemeinde Remscheid ein wenig zur Ruhe. Er lernt mit Unterstützung einer Frau aus der Gemeinde eifrig Deutsch. Ein Musikprofi bot an, ihm Gitarrenunterricht zu erteilen, und eine rührige Gruppe Ehrenamtler kocht für ihn das, was ihm schmeckt und er nach seinem muslimischen Glauben essen darf, berichtet Superintendent Hartmut Demski. "Die Welle an Hilfsbereitschaft ist für uns ermutigend. Viele Angebote erleichtern uns den Alltag." Denn die Gemeinde kommt für alle Kosten auf.

Der Wermutstropfen: Noch ist sein Aufenthaltsstatus illegal, droht ihm eigentlich die Abschiebung. Die Zuständigkeit für das Flüchtlingsverfahren liegt noch in Hessen, nicht in Nordrhein-Westfalen oder wie gewünscht in Remscheid, wo seine Schwester als wichtige Bezugsperson schon seit Jahren lebt. "Sein Radius ist daher sehr eingeschränkt", bedauert Pfarrerin und Mit-Betreuerin Annette Cersovsky. Sie hofft, dass die eingeschaltete Anwältin im Verfahren möglichst schnell weiter kommt, damit er sich in Remscheid freier bewegen kann.

Seit Ende Juni gewährt die Stadtkirchengemeinde dem jungen Mann Kirchenasyl. Er war in seinem Heimatland an Leib und Leben bedroht, flüchtete über Uganda, Sudan, Libyen, bis ihn eine Schlepperbande nach Lampedusa brachte. In Italien schlug er sich allein durch. Sein Ziel war Deutschland, Remscheid, die neue Heimat seiner Schwester.

Auch wenn "Herr A.", wie ihn die Gemeinde taufte, hier immer wieder Momente der Unbeschwertheit genießt wie beim gemeinsamen Fußball-Gucken während der WM, so sei er psychisch doch angeschlagen, traumatisiert, sagt Cersovsky. "Manchmal erzählt er von unglaublich schrecklichen Dingen." Das Erlebte sitzt tief. Noch habe er nicht das Gefühl, in Sicherheit zu sein. Zum einen, weil er kaum fassen kann, dass nicht jede Nacht einer an seiner Tür klopfen kann. Zum anderen, weil er hier noch keinen rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus hat. Aber er sei ein sehr aufgeschlossener Mensch, freundlich, lernbegierig. Er freue sich über Kontakte vor allem mit Gleichaltrigen. Gerne würde er Fußball spielen. Doch bewege er sich draußen bisher nur in Begleitung. Ein PC, ein Fernseher und englische Zeitungen sind seine Nachrichtenquellen. Der junge Mann hat ein Lebensziel, sagt Cersovsky. "Er möchte Arzt werden."

(RP)
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