Remscheid Social Freezing: Die Hälfte der Frauen geht leer aus

Remscheid · Seit Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen Social Freezing bezahlen, ist das Thema in aller Munde: Für den Remscheider Reproduktionsmediziner Dr. Johannes Luckhaus hat das Einfrieren der Eizellen jedoch keine Zukunft.

So funktioniert Social Freezing
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Foto: dpa, dk_cu

Aus einem Gefäß dampft weißer Rauch. Es ist flüssiger Stickstoff, in dem die Eizellen von hunderten junger Frauen gelagert sind. Es sind die Eizellen von Frauen, die jetzt noch keine Kinder bekommen wollen, doch sicher gehen möchten, dass ihr Mutterglück auch jenseits der 35 noch möglich ist. Social Freezing ist derzeit in aller Munde. Seit Facebook und Apple für Mitarbeiterinnen das Einfrieren der Eier bezahlt, stellt sich die Frage, ob so die Zukunft der Familienplanung aussieht.

In Remscheid zeichnet sich so etwas bis jetzt noch nicht ab. Obwohl die Möglichkeiten dazu bei Dr. Johannes Luckhaus im Bergischen Kinderwunschzentrum gegeben sind. Einen Vorteil sieht der Mediziner darin aber nicht. "Mindestens die Hälfte derer, die Social Freezing betreiben, werden am Ende mit leeren Händen da stehen", sagt er. "Höchstens 40 Prozent der Frauen werden ein gesundes Kind zur Welt bringen", so Luckhaus.

 Dr. Johannes Luckhaus sieht das Social Freezing kritisch. Im Bergischen Kinderwunschzentrum an der Elberfelder Straße gehört die künstliche Befruchtung ohne das Einfrieren von Eizellen jedoch zum Alltag,

Dr. Johannes Luckhaus sieht das Social Freezing kritisch. Im Bergischen Kinderwunschzentrum an der Elberfelder Straße gehört die künstliche Befruchtung ohne das Einfrieren von Eizellen jedoch zum Alltag,

Foto: Nico Hertgen

Was ist der Zweck des Einfrierens von Zellen? "Unter Social Freezing versteht man den Prozess, bei dem die Eizellengewinnung von der Schwangerschaft getrennt ist. Man gewinnt Eizellen und wünscht aber nicht, dass eine Schwangerschaft jetzt herbeigeführt wird. Das soll später passieren." Der Sinn beim Social Freezing besteht darin, dass die Frau selbst bestimmen kann, wann sie ein Kind haben möchte und sich nicht nach der biologischen Uhr richten muss. Oft hat sie noch nicht den passenden Partner gefunden oder will erst Kariere machen. Im Prinzip handelt es sich um den normalen Vorgang, der bei einer künstlichen Befruchtung abläuft - nur mit Zeitverzögerung. Es ist keine neue Methode. Luckhaus wendet sie seit Jahren an, um beispielsweise Frauen, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssen, ein Depot an Eizellen anzulegen - diese sind nach der Behandlung zerstört. Dabei steht jedoch ein anderer Aspekt hinter der Behandlung.

Zentren, die damit werben, würden die Erfolgssaussichten nicht realistisch darstellen, so der Reproduktionsmediziner. Häufig wollen sie mit der teuren Behandlung Geld machen. Für die Lagerung der Eizellen würden 250 Euro pro Jahr anfallen, hinzu kommen noch je 1500 Euro für die Medikamente und die Eizellengewinnung, also 3000 Euro, erklärt der Mediziner. Außerdem sei es sinnvoll, sich der Prozedur auch mehrfach zu unterziehen, um mehrere Eizellen zu gewinnen. Entsprechend erhöhen sich die Kosten. Luckhaus plädiert dafür, dass Frauen versuchen, ihre Karriere und den Kinderwunsch unter einen Hut zu bringen. "Das ist mit Sicherheit effektiver und schlauer als die Methode des Social Freezing."

Das Risiko einer Schwangerschaft nimmt im Alter auch immer mehr zu. Verweigern würde er einer Patientin die Behandlung jedoch nicht. "Ich habe es noch nie durchführen müssen. Wobei ich es getan hätte, wenn es jemand trotz schonungsloser Aufklärung gewollt hätte", so Luckhaus. In der Stadt sei es jedoch noch kein Thema. "In Remscheid haben die Frauen realistische Vorstellungen", sagt Luckhaus und lacht.

Das Fazit des Mediziners: "Es ist ein teurer Spaß und keine Methode, auf der man eine sichere Familienplanung aufbauen kann. Diese beiden Aspekte reichen schon aus."

(RP)
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