Remscheid So spricht der Bauch des Flügels

Remscheid · Peter Friederich, Klavierbauer und Konzerttechniker, öffnete zu Beginn der Röntgen-Festwoche die Werkstatt.

 Entzückt waren die Werkstattgäste, als Peter Friederich an seinen Steinway-Flügel Beethovens Mondscheinsonate spielte.

Entzückt waren die Werkstattgäste, als Peter Friederich an seinen Steinway-Flügel Beethovens Mondscheinsonate spielte.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Peter Friederich befürchtet, zu einer aussterbenden Zunft zu gehören. Wer dem Lenneper Klavierbauer und Konzerttechniker zuhört, wie er mit einer hinreißenden Leidenschaft von seinem Beruf erzählt; wer sieht, wie er mit den Fingern liebevoll über Tasten und Mechanik streicht; wer sieht und hört, wie er den Resonanzboden im Inneren eines Flügels prüft und klopft und dann lauscht — der kann verstehen, dass es vielleicht nicht mehr viele gibt, die diesen Beruf mit einer solchen Hingabe erfüllen können. Vielleicht liegt's ja auch am Zeitgeist, in dem das Digitale sich auch auf dem Instrumentenmarkt seinen Platz erobert. Auch darüber hat sich der Klavierbauer eine Meinung gebildet.

Friederich gab im Rahmen der diesjährigen Röntgenwoche einen tiefen und äußerst packenden Einblick in seine Arbeit. Die acht Zuhörer hingen mit ungeteilter Aufmerksamkeit an seinen Lippen und Händen. Obwohl ganz der analoge Klavierbauer, weiß er durchaus ein digitales Klavier zu schätzen. Hochwertige Klaviere dieser Art liefern ebenfalls einen phantastischen Klang, sagt er. Allerdings fehle ihnen etwas Wichtiges — die Seele.

Damit meint er nicht allein den Resonanzboden, auch die Anzahl der auf einem Chip abgespeicherten Parameter eines Tones sind endlich. Dagegen kann ein herkömmliches Klavier unendlich viele verschiedene Klangfarben und Charakteristiken eines Tones erzeugen — ganz abhängig vom Musizierenden. Das Instrument reagiere auf dessen Stimmung und beeinflusse sie sogar. Und dann setzt sich Friedrich an seinen Steinway-Flügel und spielt Beethovens Mondscheinsonate. Und schon sind sie da: die Schwingungen, die von der Begeisterung des Mannes an den Tasten zeugen. Als spüre der Flügel, wer auf ihm spielt. Und der Meister greift in die tiefen Tasten und lässt sie dröhnen — "der Bauch des Flügels spricht". Und dann erklingen filigran, klar und beinahe zirpend die ganz hohen Töne. Alles zusammen lässt erahnen, welche Kraft und Dynamik in solch einem Instrument steckt.

Kein Wunder, alle Töne vereint erzeugen eine Saitenspannung von rund 25 Tonnen. Sie will vom Klavierbauer beherrscht sein: vom kleinen Filzhammer über Tasten und Mechanik bis zum großen Rahmen, insgesamt rund 530 Kilogramm. Bis zu 650 Anschläge in der Minute, also knapp elf in der Sekunde, verkraftet der Steinway-Flügel, einer der besten seiner Art. Zum Vergleich: Die Klaviere zur Zeit Beethovens und Mozarts — Flügel gab es damals nicht — ermöglichten rund 350 Anschläge pro Minute.

Die heutigen Virtuosen spielen also so schnell, wie es die klassischen Komponisten vermutlich gar nicht geplant hatten. Solche wissenswerten Details lieferte Peter Friederich zuhauf.

Ein Hinweis auf seine Überzeugung: Klaviere zu bauen ist ein deutsches Kulturgut.

(begei)
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