Remscheid "Schottergärten sind verlorener Lebensraum"

Remscheid · Auf einer Parzelle des Kräuterpädagogen Hubert Benzheim gedeiht Artenvielfalt. Es darf alles wachsen, was in anderen Gärten als Unkraut vernichtet wird. Für den Umweltberater steht der Kampf gegen Unkraut für die Entfremdung der Menschen von der Natur.

 Naturidyll in Siepen: Hubert Benzheim hat keine Angst vor Wildkräutern. Er wirbt für mehr Vielfalt im Garten und appelliert, nicht noch mehr Flächen in pflegeleichte Steinwüsten zu verwandeln.

Naturidyll in Siepen: Hubert Benzheim hat keine Angst vor Wildkräutern. Er wirbt für mehr Vielfalt im Garten und appelliert, nicht noch mehr Flächen in pflegeleichte Steinwüsten zu verwandeln.

Foto: Jürgen Moll

"Wenn ich die vielen Steingärten sehe, die vor allem in Neubaugebieten entstehen, sorge ich mich nicht nur um die Insekten", sagt Hubert Benzheim (54) und lässt den Blick über seine Parzellen in Siepen schweifen. Hier sieht ein Garten so aus, wie seiner Meinung nach mehr Gärten vor und hinter Wohnhäusern aussehen sollten: Blumen für die Insekten, krautige Gewächse, alte Obstsorten und mittendrin steinerne Haufen als frostsicheres Versteck für Amphibien und Reptilien.

"Gärten mit Schottersteinen oder grauem Kies, allenfalls mit ein paar Ziergräsern versehen, machen ökologisch überhaupt keinen Sinn und schaden sogar der Natur", sagt der gebürtige Bonner, der als Kind ins Bergische Land kam. Hier musste der Naturfreund zusehen, wie mit den Jahren immer mehr Landschaftsschutzgebiete in Gewerbeflächen umgewandelt wurden und "eine Generation von Menschen heranwuchs, für die Wald und Wiese oft keine Rolle mehr spielen und Gärten mit vielen Pflanzen nur Arbeit bedeuten". Arbeit hat auch Hubert Benzheim mit seiner wilden Flora. Aber als Landschaftsgärtner und Umweltberater wusste er schon vor seiner Weiterbildung zum Kräuterpädagogen, "dass die Seele von Menschen ohne die Nähe zur Natur Schaden erleidet".

"In einer öden Umgebung gehen nicht nur die Emotionen verloren", sagt der ehemalige Rheinländer. Wenn es um den Trend zu Schottergärten geht, kann er jedoch nicht schweigen: "Ich sage auch meinen Kunden deutlich, was ich davon halte, einen Garten zu gestalten, der die Biodiversität ruiniert." Es sei bereits schlimm genug, dass in einem Industrieland wie Deutschland die Natur meistens das Nachsehen habe. "Wenn die Grünflächen jetzt auch noch aus den Gärten verschwinden, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir eines Tages keine Biene mehr hören oder unsere Enkelkinder nicht wissen, wie sich ein Insekt anfühlt." Landschaftsschutz sei kein Thema, das man nur auf die Landwirte abwälzen kann. "Da müssen sich alle Menschen, die Grund und Boden haben oder ihn für einen Hausbau erwerben, fragen, was sie selbst gegen die Verschotterung von Grünräumen tun." Ihm sei klar, "dass Menschen nicht mit schlechten Intentionen ihre Umgebung pflegeleicht gestalten wollen". Man müsse aber auf die Folgen hinweisen. Im Falle von Schottergärten gehe es um ein gestörtes Mikroklima und verlorenen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. "Unter Schotter verliert der Boden an Fruchtbarkeit, weil der Boden versiegelt wird. Die Artenvielfalt in der Umgebung nimmt ab und die Hitze zu." Hinzu komme ein Aspekt, den Kräuterpädagogen im Blick haben: "Was geschieht eigentlich mit uns Menschen, wenn wir uns von der Natur immer mehr entfremden und unser Wissen über die Natur weiter schwindet?" Für Benzheim steht fest, dass sich hierdurch auf Dauer der Gemütszustand einer Gesellschaft negativ verändert. Die Politik müsse dringend für mehr Naturbildung sorgen. Dabei seien mehrere Ressorts gefragt: "Die Bildungsministerien sollten veranlassen, dass es an den Schulen wieder mehr Exkursionen in die natürliche Umgebung gibt, damit Kinder und Jugendliche unsere einheimischen Pflanzen kennen und schützen lernen. Es genügt einfach nicht, nur Natur-Events zu fördern oder in der Grundschule mal einen Ausflug in den Wald zu machen." Von den Umweltministern erwartet er, dass sie auf Bau- und Nutzungsordnungen drängen, die in den Kommunen einen Mindestanteil an naturnaher Bepflanzung vorsehen. "Natürlich kann es sein, dass Menschen, die ein Haus bauen, dann wieder mehr Zeit in ihren Gärten verbringen müssen." Wenn das der Fall sei, sollten Eltern ihre Kinder einbinden.

(RP)
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