Seminare für Vorlesepaten Abenteuerreise zwischen Buchseiten

Remscheid · Werner Brück lässt Geschichten lebendig werden. Er ist ehrenamtlicher Vorleser und bietet mit dem Verein „Die Brücke“ und der Bibliothek Seminare für Vorlesepaten an.

 Vorleser Werner Brück ist in der Lage seine Zuhörer mit Geschichten zu fesseln.

Vorleser Werner Brück ist in der Lage seine Zuhörer mit Geschichten zu fesseln.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wenn Werner Brück das Buch aufschlägt, beginnt eine Abenteuerreise. Dann blickt er seine Zuhörer zuweilen ganz grimmig an oder er strahlt über das ganze Gesicht. Er ärgert sich mächtig und laut und fällt dann in ein fröhliches, herzhaftes Lachen. Jede Gefühlsregung, der er auf den Seiten begegnet, verwandelt er in Sprache oder Gestik. Und er hat einen Heidenspaß dabei.

Deswegen engagiert sich der Rentner als Vorlesepate – für Kinder und Senioren. Inzwischen bildet er auch Vorleser in Remscheid aus. Und er weiß: „Umso lebendiger wir die Geschichten erzählen, desto größer ist die Chance für den Zuhörer, sich mit den Figuren zu identifizieren.“

Genau darum geht es dem Ehrenamtler: Er wünscht sich, dass die Zuhörer eintauchen, sich auf Abenteuerreise begeben und mit vielen Erfahrungen im Gepäck zurückkehren. Wie er selbst.

„Mein Vater ist früh gestorben, also bin ich als Einzelkind mit meiner Mutter aufgewachsen“, erzählt er. Einsam seien diese Jahre zuweilen gewesen. Aber dann begann ihm eine Nachbarin vorzulesen. Und Werner Brück entdeckte die Welt von Robinson Crusoe und Klaus Störtebeker. Er schmökerte bis in die Nacht in den Büchern von Karl May. Und dort entdeckte er eine Welt, in der er auf einsame Außenseiter traf, die sich durchkämpften, Abenteuer erlebten und kraftvoll ihr Leben in die Hand nahmen. Das Lesefieber hatte ihn angesteckt.

Als er später selber eine Familie gründete, blieb im stressigen Berufsalltag ein Termin gesetzt: der Abend neben dem Bett der Kinder. „Ich habe meinen eigenen fünf Kindern jeden Abend vorgelesen“, erzählt er, „das war mir wichtig.“ Auch sie sollten die Möglichkeit bekommen, die fremden Welten zwischen den Buchseiten zu entdecken. Inzwischen sind die Kinder längst erwachsen, aber Brücks Begeisterung für Literatur, für Sprache und Ausdruck ist geblieben. „Ich habe früh das Theater für mich entdeckt“, erzählt er, „die Möglichkeiten der Sprache.“ Nach der Bankkaufmannlehre, studierte er Heilpädagogik, dann Erziehungswissenschaften, leitete das Knobelsdorff-Haus in Radevormwald.

Der gebürtige Hannoveraner ließ sich von der Evangelischen Kirche erst zum Lektor, dann zum Prädikanten ausbilden und frönt seitdem auch von der Kanzel aus seiner sprachlichen Leidenschaft. Vor acht Jahren ging Werner Brück in den Ruhestand – und kam mit Ulla Schulz, damalige Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung in der Bibliothek, ins Gespräch. Beide waren davon überzeugt, dass frühes Vorlesen gleich mehrfach Entwicklungsimpulse für Kinder gibt. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass Kinder, denen früh vorgelesen wird, in der Schule sogar Mathe leichter fällt“, sagt Werner Brück. Von sozialen Fähigkeiten, Gerechtigkeitssinn und sprachlicher Kompetenz ganz zu schweigen. Damals wurde Werner Brück Vorlesepate.

Er lernte Methoden und Techniken kennen, wie er seine Zuhörer fesselt. Heute macht er manchmal mitten in der Geschichte Halt und fragt die Kinder, wie es weitergeht. Er bringt Bilder mit und spielt mit seinen Zuhörern die Szenen nach. Langweilig wird es nie. Weil Werner Brück seine Begeisterung für das Lesen weitergeben und noch mehr ehrenamtliche Vorleser für Remscheid gewinnen wollte, schrieb er sich für die Multiplikatorenausbildung der Stiftung Lesen ein. Seitdem bietet er gemeinsam mit der Freiwilligenzentrale „Die Brücke“ und dem Kommunalen Bildungszentrum Grundlagenseminare für Vorlesepaten an. Wer sich ausbilden lässt, verpflichtet sich zu nichts. Großmütter nehmen das Angebot wahr, aber auch Ehrenamtliche, die sich von der Freiwilligenzentrale später als Vorlesepaten in Kitas, Schulen oder Senioreneinrichtungen vermitteln lassen. Willkommen ist jeder.

„Vieles kann man lernen, anderes aber auch nicht“, sagt Brück. Ein gewisses Temperament, Lust an Literatur und Kontakt, Freude an der Darstellung und sprachlicher Dynamik müsse man wohl mitbringen, um seine Zuhörer beim Vorlesen zu fesseln, sagt er. Das Seminar könne dann darauf aufbauen – und dank der Bücherei gebe es auch viele wertvolle Buchtipps.

Robinson Crusoe und Klaus Störtebeker liest Werner Brück heute nicht mehr. Aber die Abenteuergeschichten sind ihm nicht ausgegangen.

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