Remscheiderin verurteilt 1440 Euro für Beleidigung – Opfer leidet noch immer

Remscheid/Wuppertal · Wegen Volksverhetzung und Beleidigung war die Angeklagte zu 1440 Euro Geldstrafe verurteilt worden und in Berufung gegangen. Das türkische Opfer ist psychisch krank und leidet immer noch unter ihren Worten.

Ob die Angeklagte überhaupt wusste, welche Tragweite ihre plumpen Worte haben können? Daran hatte schon beim erstinstanzliche Prozess ein Polizeibeamter seine Zweifel geäußert, und auch im Berufungsprozess entstand dieser Eindruck der 70-jährigen Remscheiderin. Nichtsdestotrotz hat sie sich für das zu verantworten, was sie im November 2019 im Allee-Center gegenüber einer türkischstämmigen Frau und deren Betreuerin gesagt haben soll.

Wegen Volksverhetzung und Beleidigung war die Angeklagte vom Amtsgericht zu 1440 Euro Geldstrafe verurteilt worden und in Berufung gegangen. Nicht nur, weil sie nicht genug Geld habe, um das bezahlen zu können. Sondern auch, weil sie das, was ihr von der Anklage vorgeworfen wird, nicht gesagt haben will. Vor allem ein Satz war bei den Beteiligten offenkundig hängengeblieben: Hitler habe die Juden vergast und er hätte gleich noch die Türken vergasen sollen. Hinzu sei noch „Türkenhure“ gekommen und der Hinweis darauf, dass junge Türkinnen zwangsverheiratet und früh geschwängert werden würden.

Begegnet waren sich die Angeklagte und die beiden Frauen zur Mittagszeit im Allee Center, dort hatte die mittlerweile 70-Jährige an einem der Tische gesessen. Im Vorübergehen soll sie die Türkin und ihre Betreuerin beleidigt haben – die sollen sich dann zu ihr umgedreht haben, um die Frau zur Rede zu stellen. Die Polizei wurde hinzugerufen und bis zu deren Eintreffen soll die Betreuerin die Angeklagte an deren Tasche festgehalten haben.

„Viele erwachsene Menschen haben zugeschaut und ein paar Kinder haben versucht, uns zu helfen – so leben wir heute“, schilderte die Sozialpädagogin ihr Entsetzen. Sie habe ihre psychisch kranke Klientin dazu ermuntert, sich derartige Beleidigungen nicht gefallen zu lassen. Es sei schockierend, was hier mittlerweile so los sei. „Wir leben in einem Rechtsstaat und niemand hat das Recht, andere derart zu beleidigen“, so die Zeugin. Entsetzt sei sie auch gewesen, weil etliche Passanten die Geschehnisse mit ihrem Handy gefilmt hätten. Ihre Klientin leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und habe das Gefühl, von dieser Gesellschaft nicht akzeptiert zu werden. Es habe schon zuvor immer wieder Anfeindungen gegeben.

Im Zeugenstand war die Türkin weinend zusammengebrochen – auch deshalb, weil sie noch immer darunter leide, dass die Angeklagte damals zu ihr gesagt haben soll, dass sie sterben solle. Deren Anwalt sah die Sache anders: Seine Mandantin habe „vor sich hin gebrabbelt“ und dabei möglicherweise auch Beleidigendes gesagt. Anstatt weiterzugehen, seien es jedoch die beiden Frauen gewesen, die das Gespräch gesucht und die Situation damit hätten eskalieren lassen. Hinzu käme, dass niemand mehr genau wisse, was wann zu wem gesagt worden sei. Dieser Sichtweise wollte sich die Berufungskammer nicht anschließen, die Angeklagte muss die bereits vom Amtsgericht verhängten 1440 Euro Geldstrafe zahlen.

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