Wirtschaft Werkzeugindustrie angeschlagen

Remscheid · Einige Unternehmen haben nur noch finanzielle Luft für drei Monate. Die Stimmung ist so schlecht wie lange nicht mehr. Entspannung gibt es erst, wenn die Märkte wieder funktionieren.

 Schlechte Zeiten für die Remscheider Werkzeugindustrie. Die Absatzmärkte sind eingebrochen.

Schlechte Zeiten für die Remscheider Werkzeugindustrie. Die Absatzmärkte sind eingebrochen.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

. Die Stimmung bei den Werkzeugherstellern ist schlecht. Nicht nur, was die aktuelle Situation nach sieben Wochen Shutdown betrifft, sondern auch, was die Aussichten auf eine bessere Zukunft angeht. Laut einer Umfrage des Fachverbands Werkzeugindustrie (FWI) fiel der Geschäftsklimaindex auf den niedrigsten Wert seit der Finanzkrise. 80 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine weitere Verschlechterung der ohnehin kritischen Situation. Der FWI-Vorsitzende Michael Kleinbongartz spricht von einer dramatischen Situation. Der Fachverband vertritt etwa 150 Firmen, die Hälfte davon kommt aus Remscheid.

Die heimische Werkzeugindustrie ist extrem vom Export abhängig. Wenn in der ganzen Welt die Absatzmärkte auseinanderfallen, bleiben die Auftragsbücher leer. Stefan Horst, Geschäftsführer des FWI, weiß von einigen Unternehmen, dass die Nachfrage um 60 bis 70 Prozent geschrumpft ist. „Im März hatten die meisten Firmen noch gute Zahlen. Aber im April ist in einer extrem kurzen Zeit extrem viel eingebrochen“, sagt Horst.

Eigentlich seien die Werkzeughersteller krisenerprobte Unternehmer, die mit neuen Produkten die ständigen Herausforderungen bisher gemeistert haben. Aber gegen solche Entwicklungen seien sie machtlos. 20 Prozent aller Befragten geben an, sie könnten noch drei Monate durchhalten. Danach müssten sie Insolvenz anmelden oder ihr Unternehmen grundlegend umstrukturieren. Die drohende Pleite von einem Fünftel der Werkzeughersteller sei besorgniserregend. Einerseits. Andererseits zeigen 80 Prozent ihre Zuversicht, durch die Krise zu kommen, betont Horst.

 Die Lieferketten für die Werkzeugindustrie seien im Vergleich zu andern Branchen nicht das Problem. „Die meisten haben eine große Fertigungstiefe in Deutschland“, sagt Horst. Der Warenverkehr sei intakt. Es komme zwar zu Verzögerungen, die aber momentan zu verschmerzen seien. Problematischer sei es, wenn Firmen, die wichtige Vorprodukte liefern, nicht mehr produzieren können, weil sie unter Quarantäne stehen.

Die Werkzeugindustrie ist stark mit der Automobil-Industrie verbunden. „Keiner weiß, wann die Märkte wieder funktionieren“, sagt Horst. Das gilt nicht nur für Deutschland und Europa, sondern vor allem für die USA. Der amerikanische Markt sei besonders wichtig. Auch die bisher boomende Baubranche verzeichnet harte Einschnitte. Das bekommen die Werkzeughersteller bereits zu spüren.

Ein Facharbeiter an der CNC-Maschine oder am Hammer kann nicht in Homeoffice wechseln. 75 Prozent der Firmen haben Kurzarbeit angemeldet. Die Produktion läuft vielerorts auf Sparflamme. „Es gab einen regelmäßigen Austausch über das Arbeiten unter den Hygienebedingungen“, berichtet Horst. Abläufe seien neu organisiert, Mensen umgeräumt und auf Schichtarbeit umgestellt worden. „Auf diesem Gebiet haben wir keine Probleme“, sagt Horst. Kleinbongartz erwartet von der Politik systematische Schritte aus dem Lockdown und kurzfristige Maßnahmen zur Nachfragebelebung.

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