Kultur in Remscheid Spiel mit dem Perspektivwechsel

Honsberg · Der Titel der Ausstellung in der Galerie „Ins Blaue“ ist Programm: „somewhere in between“. Die beiden Künstler Renate Löbbecke und Jonas Hohnke arbeiten bei ihren Werken mit Wahrnehmungsmustern, die sie gerne mit einem Perspektivwechsel irritieren wollen.

 Die Wuppertalerin Renate Löbbecke zeigt ihre Werke in der Galerie „Ins Blaue“.

Die Wuppertalerin Renate Löbbecke zeigt ihre Werke in der Galerie „Ins Blaue“.

Foto: Christian Peiseler

So entstehen Zwischenräume, in denen sich der Blick auf das Alltägliche verändert. In der oberen Etage des Hauses an der Siemensstraße 21 auf dem Honsberg stehen drei Mülleimer mitten im Raum. Von außen mit glänzendem Weiß bestrichen, leuchtet aus dem Inneren jeweils ein Blau, ein Grün, ein Gelb. Die Objekte wirken zu edel für Abfall. Schmeißt man aber ein Stück zerknülltes Papier hinein, verändert sich der Farbraum. Der Zufall prägt den Dialog der Formen.

Mit dem Zufall arbeitet Hohnke öfters. Er hat weiße Blätter in den Regen gelegt und anschließend die Tropfen, die zufällig auf dem weißen Untergrund einsickerten, mit Aquarellfarbe gefüllt. Jedes Blatt mit einer eigenen Farbe. So entstand eine Reihung von monochromen Blättern, von der Natur geformt. Seinen Schreibtischstuhl hat Hohnke als Akteur eingesetzt. Er ist auf den hellen Papierbögen herumgefahren. Die Spuren der Stuhlrollen aus Dreck und Staub bilanziert Hohnke in einer streng geordneten Reihung von DIN-A-4-Blättern. Und selbst die Form eines Kaffeekleckses transformiert er zu kleinen Skizzen auf Millimeterpapier.

Die Reihung zählt auch zu den Formen, die Renate Löbbecke schätzt. Ihre „Blut-Bilder“ bestehen aus gerahmtem Küchenrollenpapier, mit dem sie das Blut aus Verletzungen abtupfte. Das Unsichtbare des Körpers interessiert Löbbecke besonders. Mit ihrer Kunst lenkt die Wuppertalerin die Wahrnehmung in Regionen, die sich dem gewohnten Blick entziehen. Sie spielt mit den Vorstellungen vom eigenen Körper, seinen Bedürfnissen und seinen Funktionen. Ihr „Hände-Hemd“ lässt Körperlichkeit aus Berührungsassoziationen entstehen. Aus Fotokopien von Händen hat sie diese Plastik geformt.

„Schläft ein Lied in allen Dingen/ Die da träumen fort und fort/ Und die Welt hebt an zu singen/ Triffst du nur das Zauberwort“. Diese Verszeilen des romantischen Dichters Joseph von Eichendorf benutzt Löbbecke in dem wohl extremsten Werk in dieser Ausstellung. Die quadratische Buchstabenfolge besteht aus Exkrementen, die die Künstlerin in ihrer Kloschüssel abfotografiert hat. Der Darm schafft eigene Produkte, die Löbbecke in einen neuen Kontext setzt. Was hat ein Stück rohes Fleisch mit den rötlichen Steinschichten in den Höhlen von Jordanien zu tun? Was verbindet eine aufgebrachte Menschenmasse mit einem Berg aus toten Rindern? Löbbecke sieht in diesen Weltausschnitten eine dynamische Struktur, auf die sie immer wieder und wieder stößt. Ob auf Reisen, oder beim Durchstöbern von Zeitungen und Magazinen – der ästhetische Blick überhöht die Wirklichkeit.

Der Honsberg ist für Löbbecke eine Entdeckung. Sie fand über einem Hauseingang die Zeile: „Das Leben ist wie Sauerkraut, wohl dem, der es gesund verdaut.“ Den Reim aus dem Jahre 1919 wollte sie unbedingt in ihre Ausstellung mit aufnehmen.

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