Remscheid Wenn AIDS plötzlich persönlich wird

Remscheid · Seit einem Jahr ist die Wuppertaler AIDS-Hilfe in Remscheid aktiv – vor allem in der Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund. Beraterin Jana Kawina zieht eine positive Zwischenbilanz.

 Jana Kawina von der AIDS-Hilfe Wuppertal mit Flyern  für HIV-Präventions-Angebote in Remscheid.  

Jana Kawina von der AIDS-Hilfe Wuppertal mit Flyern  für HIV-Präventions-Angebote in Remscheid.  

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wenn Jana Kawina ihren Informationsstand auf Festen und Veranstaltungen aufschlägt, dann gehen die Besucher gerne vorbei. „Es ist schwierig, die Menschen mit meinem Thema anzuziehen“, sagt sie. AIDS – da denkt keiner an einen schönen Plausch unter dem Sonnenschirm. Für die meisten sei das Thema weit weg. Also hat die Beraterin der AIDS-Hilfe in Wuppertal Mitmachaktionen im Gepäck, wenn sie sich zu Veranstaltungen auf den Weg macht. Cocktails und Spiele sind der Türöffner. „Dann merken die Menschen plötzlich, dass sie das Thema etwas angeht“, erzählt sie. Diese Erfahrung hat sie im vergangenen Jahr in Remscheid an vielen verschiedenen Stellen gemacht – beim Festival „Remscheid United“ zum Beispiel. Diese Erfahrung macht sie auch, wenn in Kulturzentren oder Flüchtlingsunterkünften unterwegs ist.

Seit einem Jahr ist die Beraterin in Remscheid im Einsatz. „Wir arbeiten grundsätzlich zielgruppenspezifisch“, erklärt die 35-Jährige. Schließlich ergebe es überhaupt keinen Sinn, mit schwulen Männern und türkischen Frauen gleichzeitig ins Gespräch zu kommen. „Das sind doch ganz unterschiedliche Fragen und Themen“, sagt Jana Kawina. Also spricht der Verein spezielle Gruppen an – Schüler, Frauen, schwule oder heterosexuelle Männer und beim Projektschwerpunkt in Remscheid vor allem Migranten. „Nicht weil es dort einen besonderen Bedarf gibt“, betont Jana Kawina, „sondern weil wir so eine weitere Zielgruppe erreichen können.“ Gleichzeitig betont sie: Als Beraterin sei sie für alle ansprechbar.

Dann erzählt Jana Kawina von der Häkelgruppe in Remscheid, die von Frauen mit Migrationshintergrund besucht wird und bei der die Beraterin regelmäßig zu Gast ist. Frauen mit türkischen Wurzeln sprechen dann mit Jana Kawina über die tückische Krankheit, sie beginnen Fragen zu stellen. „Oft sind es Mütter, die mit ihren Kindern über Prävention ins Gespräch kommen wollen“, sagt Jana Kawina. Dann geht es um Schutz vor AIDS. Jana Kawina war im vergangenen Jahr auch bei Bewohnern einer Flüchtlingsunterkunft zu Gast. „Ich war gespannt, ob die Männer dort mit mir reden“, erzählt sie. Vor allem dank des Flüchtlingsberaters, der für sie übersetzte, kam sie mit den Bewohnern ins Gespräch. „Das war eine richtig gute Begegnung“, sagt sie. Männer stellten ihre Fragen – über Gefahren, sich anzustecken und über Möglichkeiten, das zu verhindern. Jana Kawina spricht dann über Prävention, über das deutsche Gesundheitssystem und über Behandlungsmöglichkeiten. Sie hat auch gemerkt, Menschen aus Afrika haben sich bereits häufig mit dem Thema beschäftigt, während Geflüchtete aus dem arabischen Raum seltener mit dem Thema in Kontakt gekommen seien.

Wie so oft stellt die Beraterin aber bei all ihren Besuchen schnell fest, dass es beim Wissen um AIDS große Wissenslücken gibt – das gilt für die meisten Zielgruppen. Dann versteht sich die 35-Jährige auch als Sprachrohr gegen Diskriminierung: „Die Menschen sind oft unsicher im Umgang mit HIV-positiv getesteten Menschen“, sagt sie. Kaum einer wisse zum Beispiel, dass die medizinische Behandlung heute auch dafür sorge, dass dann keine Ansteckungsgefahr mehr bestehe.

Das Projekt ist vorerst auf zwei Jahre angelegt. „Das erste Jahr war richtig gut“, sagt Jana Kawina und erzählt auch von den vielen Netzwerkpartnern, die sie inzwischen gefunden hat – wie die Migrationsberatungsstelle, das Kommunale Integrationszentrums, den Sozialdienst, Kliniken, den Lotsenpunkt oder Pro Familia. Natürlich sei sie auch an Grenzen gestoßen. „Am Anfang vor allem sprachlich“, erzählt sie. Dann habe sie die Sprachmittler in Remscheid auf das Thema schulen können, seit dem sei diese Hürde überwunden. Sie trifft auch auf Zurückhaltung und wünscht sich zuweilen einen festen Beratungspunkt. Aber auch dafür scheint sich eine Lösung gefunden zu haben – ab 1. Juli arbeitet sie mit der „Praxis ohne Grenzen“ zusammen. In den kommenden Monaten will sie mit den Sana-Krankenpflegeschülern ins Gespräch kommen und endlich die Termine am Remscheider Schulen umsetzen. „Das Thema wird besprechbar“, spürt sie, „ich kann etwas bewegen und Ängste abbauen.“ Und deswegen startet sie motiviert in die zweite Hälfte des Projekts.

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