Idylle in Remscheid Wein aus dem Kleingarten

Reinshagen · Für viele Kleingartenbesitzer ist ihre grüne Parzelle inmitten der Großstadt eine kleine Oase der Glückseligkeit, in der sie zwischen Salatköpfen und Rosen zur Ruhe kommen und ihrem Hobby des Anbaus unter freiem Himmel nachgehen können.

 Die Kleingärten im Bornstal sind liebevoll gestaltet und bieten einen wohltuenden Ausgleich zum stressigen Alltag.

Die Kleingärten im Bornstal sind liebevoll gestaltet und bieten einen wohltuenden Ausgleich zum stressigen Alltag.

Foto: Jürgen Moll

Der Kleingarten bietet einen wohltuenden Ausgleich zum stressigen Alltag, obwohl auch dieser – wenn er ordentlich gepflegt wird – mit viel Arbeit verbunden ist. Darum entschied sich der 71-jährige Peter Dummer erst vor drei Jahren dazu, einen Kleingarten zu pachten: „Mit dem Renten-Eintrittsalter habe ich mich auf die Suche nach einer neuen Aufgabe begeben“, sagt er. Gefunden hat er diese im Kleingartenverein Reinshagen-Bornstal auf gut 300 Quadratmetern.

Viel Zeit investiert und verbringt der Rentner täglich in seinem grünen Reich, das dieser Tage in voller Blüte steht: Zwischen den großgewachsenen Gräsern keucht und fleucht es lebhaft, während sich an den kräftig strahlenden Blumen summend Hummeln und Bienen tummeln. Dieser Anblick erfreut Dummer am meisten, denn ihm ist der Anbau von Kartoffeln oder Erdbeeren für den eigenen Verzehr nicht wichtig. „Ich habe hinter meiner Hütte ein paar Kleinigkeiten angepflanzt, Johannisbeeren und Kräuter und sogar einige wenige Kartoffeln“, sagt er. Denn so ist es in der Nutzung der Kleingärten vorgeschrieben: ein Drittel Anbau, ein Drittel Blumen, ein Drittel Rasenfläche. Ob das auf den Zentimeter genau zutrifft, ist aber unwesentlich. „Für mich muss der Garten vor allem die Unterschrift der Biodiversität tragen, also eine reiche Artenvielfalt haben.“

Weit über 60 verschiedene Pflanzen wachsen in seinem Garten und bieten den Insekten viel Nahrung und Lebensraum. Als Jäger ist Dummer stark mit der Natur verbunden, interessiert sich für Flora und Fauna und bildet sich regelmäßig darin weiter, so dass er nach nur dreijähriger Vereinszugehörigkeit und nach einer über einjährigen Ausbildung sogar als Fachberater im Vereinsvorstand tätig ist.

Über Kontakte zum Kleingartenverein Reinshagen kam Dummer zum eigenen Garten. Ein glücklicher Zufall war es auch, dass zu diesem Zeitpunkt ein Garten frei wurde, denn aktuell sind alle 43 Parzellen belegt. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown im Frühjahr sorgte auch beim Vereinsvorsitzenden Michael Seuberth für viele Anfragen.

Die Motivation der Interessenten ist klar: „Man will raus aus der Stadt ins Grüne.“ Das war auch schon vor 25 Jahren Seuberths Beweggrund. Auch er, der eigentlich in der Stadtmitte wohnt, fand über Bekannte den Weg in die idyllisch gelegene Kleingartenanlage in Reinshagen, am Rande der ehemaligen Hofschaft Bornstal, umgeben von viel Wald. Ein ruhiger Ort, an dem statt Autoverkehr blökende Schafe zu hören sind.

„Das besondere unserer Anlage“, überlegt Seuberth kurz und muss dann schmunzeln, „wir bauen seit einigen Jahren Weintrauben an und stellen in Gemeinschaftsarbeit unseren eigenen Wein her – das ‚Bornstaler Tröpfchen‘.“ Insgesamt seien so schon rund 100 Liter Wein zusammengekommen. Für die große Produktion reiche es zwar nicht, sagt Seuberth, „aber es macht Spaß“.

Vorstandsmitglied Tina Tammen (56), die seit 23 Jahren ihren Garten in Reinshagen pflegt, macht die Arbeit in der Natur Freude. Alles, was sie heute über die Gartenarbeit, Anbau und Ernte von Gemüse und Obst weiß, hat sie sich über die Jahre selber erarbeitet oder im Gespräch mit den Gartennachbarn angeeignet. Die Gemeinschaft ist ihr wichtig. „Bei Sommerfesten und Veranstaltungen sind es allerdings letztendlich immer dieselben, die mithelfen und kommen.“ Doch die Gemeinschaft in der Kleingartenanlage währt vor allem bei älteren, langjährigen Mitgliedern über die eigene Parzelle hinaus, berichtet Seuberth. „Wir haben fünf passive Mitglieder, die ihren Garten mittlerweile abgegeben haben, weil sie es körperlich nicht mehr schaffen, aber trotzdem noch gerne vorbeikommen und sich im Vereinsheim treffen.“

Obwohl auch in der Kleingartenanlage die Corona-Schutzverordnung gilt, sagt Peter Dummer, habe er von der Pandemie dank seiner Parzelle kaum etwas gespürt: „Weil ich jeden Tag im Garten war, habe ich die Krise eigentlich nicht wahrgenommen.“ Denn hier, mitten im Grünen, ticken die Uhren einfach anders.

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