Gericht in Wuppertal Verfahren zieht sich wie Kaugummi

Remscheid/Wuppertal · Seit acht Jahren schwebt eine drohende Haftstrafe wie ein Damoklesschwert über dem Angeklagten. Der 53-Jährige soll im April 2011 seine damalige Lebensgefährtin zu sexuellen Handlungen genötigt und vergewaltigt haben.

 Die Einlassung des Angeklagten wird für den nächsten Prozesstag erwartet.

Die Einlassung des Angeklagten wird für den nächsten Prozesstag erwartet.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Das Paar wohnte in getrennten Wohnungen in Remscheid, der Mietvertrag für ein gemeinsames Domizil war unterschrieben. Und dann soll sich laut Anklage Folgendes zugetragen haben: Die Frau habe keinen Sex gewollt, der Mann soll sie unter Verabreichung von Schlafmitteln und trotz Gegenwehr dazu gezwungen haben.

Da es keinen hinreichenden Haftgrund gegeben hatte, blieb der Angeklagte auf freiem Fuß. Andere Verfahren mussten vorgezogen werden – die Akte wurde vom Gericht immer wieder beiseitegelegt, um drängendere Delikte abzuarbeiten.

Im April 2018 konnte endlich verhandelt werden, der Angeklagte hatte sich wie folgt eingelassen: Die Beziehung habe nach einer Begegnung am Heiligabend 2009 in der Diskothek „Déjà-vu“ hoffnungsvoll begonnen. Man traf sich mehrere Wochen lang und irgendwann war man ein Paar. Nach einer Unterleibsoperation habe seine Lebensgefährtin kaum noch Lust auf Sex gehabt und das wiederum habe seinerseits oft zu Frust geführt. Auch an besagtem Tag habe er sich neben sie ins Bett gelegt, um zu kuscheln. Das sei einvernehmlich gewesen und erst beim Geschlechtsverkehr habe ihm seine Freundin gesagt, dass ihr die sexuelle Vereinigung starke Schmerzen bereiten würde und er aufhören solle. Das will der Angeklagte auch getan haben, wobei er einräumt, danach aus Frust einen lauten Ton angeschlagen zu haben. Dann sei er gegangen – ohne der Frau Schlafmittel verabreicht zu haben und auch ohne einen zweiten Übergriff, den es am gleichen Abend noch gegeben haben soll. Der Versuch seiner Freundin, die Anzeige zurückzunehmen, soll angeblich gescheitert sein. Man habe ihr gesagt, dass seitens der Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse ermittelt werde.

Der Einlassung des Angeklagten waren damals weitere Zeugenaussagen gefolgt – dann war plötzlich Schluss, der Prozess platzte nach sechs Verhandlungstagen. Einer der Richter war erkrankt. Und weil so vorgeschriebene Fristen nicht eingehalten werden konnten, wurde die Sache erneut zu den Akten gelegt. 17 Monate später wurde nun erneut gegen den 53-Jährigen verhandelt – in einem Prozess, der von Beginn an unter den Eindrücken der überlangen Verfahrensdauer stand. Vermutlich auch deshalb stellte der vorsitzende Richter zu Beginn eine mögliche Bewährungsstrafe in Aussicht – ein Geständnis vorausgesetzt. Im Hintergrund wurden unter den beteiligten Anwälten zivilrechtliche Ansprüche des Opfers verhandelt, aus Sicht der Kammer seien 10.000 Euro angemessen.

Sowohl der Angeklagte, als auch dessen Anwalt taten sich augenscheinlich schwer mit einer solchen Summe – und auch mit der Tatsache, dass einer möglichen Bewährungsstrafe ein Geständnis vorausgehen solle. „Mein Mandant stimmt dieser Vorgehensweise unter dem Eindruck des ihn belastenden Verfahrens zu“, sagte der Anwalt des 53-Jährigen. Er habe ihm allerdings dazu geraten, nichts zu gestehen, was nicht so gewesen sei. Die angekündigte Einlassung des Angeklagten wird für den nächsten Prozesstag erwartet.

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