Remscheid Wenn Sport nicht mehr das liebste Hobby ist

Remscheid · Remscheid hat viele sportliche Talente hervorgebracht. Doch der Fundus vielversprechender Sportler in den Vereinen schrumpft.

 Tennis -Talent Cara Wischott spielt beim TB Bergisch Born.

Tennis -Talent Cara Wischott spielt beim TB Bergisch Born.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Angela Lux kann sich noch gut erinnern, wie es in den 80ern und 90ern auf den Tennisplätzen der Stadt zuging: „Da tummelten sich haufenweise Jungen und Mädchen“, erzählt die vierfache Mutter, deren Sohn Andrew  seit Herbst letzten Jahres als Doppelspieler an der Spitze und im Einzel an dritter Stelle der Weltrangliste steht. „Andrews Talent wurde zu einer Zeit entdeckt, als nicht nur Tennis, sondern Sport allgemein für die Jungen die wichtigsten Freizeitbeschäftigungen war“, fährt die gebürtige Remscheiderin fort. Damals habe es in den Klassen ihrer Söhne kaum einen Jungen gegeben, der nicht Tennis oder Fußball gespielt habe. „Und im Sommer hauten sich die Jungs aus der Tennis-Clique dann die halben Ferien lang die Bälle um die Ohren, um bei Turnieren Punkte für die Rangliste der nächsten Saison zu sammeln oder einfach nur so untereinander zu trainieren.“ Zeiten wie diese sind nicht nur im Tennisport lange vorbei.

Auch in anderen Sportarten stellen sich Nachwuchstrainer und Jugendwarte die Frage, wie es weitergehen soll. Betroffen seien vor allem „Sportarten, bei denen die Kosten für die Erstausstattung hoch sind“, teilt Daniela Hannemann vom Sportbund Remscheid mit. Aber auch „Mannschaftssportarten, bei denen die Mindestanzahl nicht mehr erreicht wird“, leiden, ergänzt die Geschäftsführerin. Hannemann nennt als Beispeil Zahlen, wonach es in einem kostenintensiven Sport wie dem Radsport in Remscheid gerade noch 30 Jungen und ein halbes Dutzend Mädchen gibt, die im Verein organisiert sind.

Verglichen damit sieht es im Tennissport rosig aus: Laut Landessportbund NRW verzeichnete der Tennis-Verband Niederrhein in den letzten acht Jahren nur eine leicht fallende Tendenz – was sich in Remscheid jedoch anders darstellt: So gab es in der Stadt 2010 noch 414 Kinder und Jugendliche, die einem Tennisverein angehörten. Im Sommer 2018 waren es nur noch 248, davon 151 Jungen und nur noch 97 Mädchen. Philipp Braumann (37), der beim TB Bergisch Born und beim TC Grün-Weiß Lennep die Jugend trainiert, überrascht das nicht: „Tennis ist ein teurer Sport, den sich viele Eltern nicht mehr leisten können oder wollen“, sagt der Wermelskirchener, dem es dennoch immer wieder gelingt, junge Talente wie die 13-jährige Cara Wischott vom TB Bergisch Born aufzutun. Nachwuchskräfte wie Wischott, die in den letzten vier Jahren mehrfach Kreis-, Bezirks- oder Stadtmeisterin wurde und bis vor kurzem noch dem Kader des Bezirks Bergisch Land angehörte, würden jedoch auch Eigenschaften mitbringen, die vielen Kindern und Jugendlichen zunehmend fehlten: „Technisch schwierige Sportarten wie Tennis erfordern Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Wer das nicht hat, weicht eher auf Alternativen aus.“ Und davon gebe es genug, was Braumann zufolge auch an den Eltern liege: „Heutzutage ist es üblich, dass die Kids mehrere Sportarten nebeneinander betreiben und viele Hobbies austesten dürfen.“

Was auch für solche Vereine zum Manko werden kann, die sich über die Entwicklung der Mitgliederzahlen im Bereich der Altersgruppe bis 18 Jahre auf den ersten Blick nicht beklagen können: „Bei uns bleiben diese Zahlen weitgehend konstant“, teilt Klaus Fey (66), Vorsitzender des Lenneper Schwimmvereins, mit und spricht von „rund 70 Jungen und 80 Mädchen zwischen sechs und 14 Jahren, die sich auf unsere Bahnen im H2O oder im Sportbad verteilen“. Es könnten sogar mehr sein, „wenn wir zusätzliche Bahnen für unser Training erhielten“. Stattdessen platzen laut Kassenwart Eckart Gillmann (56) „einige Übungsgruppen aus allen Nähten, so dass wir externe Anfragen zur Zeit teilweise abweisen müssen“. Zudem seien nicht nur die Übungsgruppen der Vereinsmitglieder ausgelastet. Es gebe auch Wartelisten für Kurse, in denen die Kinder das Schwimmen erlernen. Von einem mangelnden Interesse am Schwimmsport könne also nicht die Rede sein.

Und dennoch hat auch der Schwimmsport nach Angaben des LSV-Vorsitzenden ein Problem: „Bei denjenigen Kindern, die über das Seepferdchen hinaus dabei bleiben und von einem Schwimmlernkurs in eine Übungsgruppe und Vereinsmitglied werden, hält das Interesse oft nur bis zum Start der weiterführenden Schule an“, erklärt Fey. „Danach sind die Kinder plötzlich weg, haben aus schulischen Gründen keine Zeit mehr oder machen einen anderen Sport.“ Weshalb es bei bestimmten Mitgliederzahlen dann eben doch schlecht aussehe: „Kinder im Alter von zwölf oder 13 Jahren haben wir nur noch wenige und Jugendliche ab 14 Jahren nur noch vereinzelt.“ Wobei das Verhältnis von Mädchen und Jungen wenigstens ausgeglichen sei.

Ein Zustand, von dem die Übungsleiter beim RV Adler Lüttringhausen nur träumen können: „Wir haben im Nachwuchsbereich gar keine weiblichen Radsportlerinnen mehr“, sagt Helmut Pott (70), der sich als Co-Trainer einer Mountainbike-Gruppe engagiert. Die Gründe kenne er nicht. Er vermutet aber, „dass diese Sportart, für die man viel Kraft braucht, den Jugendlichen insgesamt zu anstrengend geworden ist“ und bei den Mädchen „zu viel Respekt vor den technischen Aspekten des Radsports“ hinzukomme. Was Pott bedauert: „Die wenigen weiblichen Teilnehmer haben so viel Kraft und Ausdauer, dass sich manch ein Mann und Jugendlicher hiervon eine Scheibe abschneiden kann“.

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