Schule in Remscheid Umgangsformen als Unterrichtsfach

Remscheid · An der Alexander-von-Humboldt-Realschule gehört das Erlernen von Sozialkompetenz zum Schulkonzept. Eine Reaktion auf den Wandel der Schülerschaft und die Unsicherheit der Eltern beim Setzen von Grenzen.

 Schulleiterin Sabine Ernst leitete 15 Jahre lang die Alexander-von-Humboldt-Realschule. Sie unterrichtete Musik und Deutsch.

Schulleiterin Sabine Ernst leitete 15 Jahre lang die Alexander-von-Humboldt-Realschule. Sie unterrichtete Musik und Deutsch.

Foto: Christian Peiseler

Die Schülerinnen und Schüler der Alexander von Humboldt-Realschule beschäftigen sich schon früh mit dem Thema Berufswahl. Bei den Tests externer Anbieter spielt Teamfähigkeit eine wichtige Rolle. „Wir bekommen immer wieder bestätigt, dass unsere Schüler besonders teamfähig sind“, sagt Schulleiterin Sabine Ernst. Ein Lob, das nicht aus heiterem Himmel fällt, sondern Früchte einer intensiven Arbeit widerspiegelt.

„Sozialkompetenz“ ist seit gut neun Schuljahren ein Unterrichtsfach an der AvH. Der Sozialpädagoge Mike Weber übernimmt die Kurse, unterstützt von dem 40-köpfigen Lehrerkollegium. Schulleiterin Sabine Ernst entschloss sich damals zu diesem alle Fächer einschließenden Konzept, um auf den gravierenden Wandel in der Schülerschaft zu reagieren. Von homogenen Klassen kann schon lange nicht mehr die Rede sein. Immer mehr Schüler haben Migrationshintergrund. Lernniveaus sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Der kulturelle Hintergrund häufig grundverschieden. Zudem nimmt die Unsicherheit der Eltern bei der Erziehung der Kinder immer mehr zu, sagt Ernst.

All diese Faktoren führen zu Situationen im Schulalltag, die die Lehrer immer mehr vor neue Aufgaben stellen und immer häufiger zu Überforderungen führen. Lehrer kommen schneller an ihre psychischen und körperlichen Grenzen, und Schüler kennen immer weniger Grenzen. Ein Teufelskreis, wenn man nicht gegensteuert. Das Fach „Sozialkompetenz“ vermittelt kein Wissen, sondern Erfahrungen. Im Spiel „Giftfluss“ etwa stehen die Schüler vor der Aufgabe, gemeinsam von einer Uferseite auf die andere zu kommen. Kleine Teppiche als Inseln helfen bei der Überquerung. Das Spiel funktioniert nur, wenn sich die Teilnehmer absprechen und aufeinander achten. So lernt jeder seine Einzelinteressen in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.

Sich rückwärts von der Fensterbank fallen zu lassen in die Arme der Gruppe – das erfordert Mut und schafft Vertrauen. Vertrauen in eine Schulgemeinschaft, deren größtes Kennzeichen die Unterschiedlichkeit ist. Das Fach „Sozialkompetenz“ steht nicht als „Zückerchen“ auf dem Stundenplan. Er ist integraler Bestandteil eines Schulkonzepts. „Wir setzen bei uns klare Grenzen beim Umgang miteinander“, sagt Ernst. Aber zu einer Forderung gehört auch die Unterstützung, die Regeln einhalten zu können. Kein Kind sei gerne ständig aggressiv. Es hat den Umgang mit den Problemen nicht anders gelernt. Die Chance, das zu ändern, hat es auf der AvH. Zu Grenzen hat Ernst eine klare Haltung: „Wer Kindern keine Grenzen setzt, der schickt sie in einen dunklen Raum, in dem sie ständig vor die Wand laufen“, beschreibt die Schulleiterin die Folgen. Im Schulalltag sollen die Früchte des Trainings bemerkbar sein. Die Kinder grüßen, halten die Türe auf und fragen, ob sie helfen können.

Wer über gute Umgangsformen verfügt, der kann auch besser lernen. Das wissen die Pädagogen, die ihre didaktischen Konzepte immer mehr dem stark variierenden Niveau anpassen. „Der Unterricht muss im Vergleich zu früher extrem gut strukturiert sein und darauf achten, dass alle Schüler trotz unterschiedlichem Niveau erreicht werden“, sagt Ernst. Keine leichte Aufgabe.

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