Tanz in Remscheid Suchende im Zauberwald

Innenstadt · Das „Spellbound Ballet“ aus Italien bot eine außergewöhnlich gute Vorstellung im Teo Otto Theater zu Musik von Vivaldi und Rossini.

 Szene aus der Choreograhie „Seasons“ des „Spellbound Ballets“ aus Italien. Es gastierte im Teo Otto Theater.

Szene aus der Choreograhie „Seasons“ des „Spellbound Ballets“ aus Italien. Es gastierte im Teo Otto Theater.

Foto: Cristiano Castaldi

Ein Glitzerwald schillert auf der Bühne. Aus dem Schnürboden schlängeln sich lange Girlanden herunter, die im Halbdunkel aussehen wie Unterwasserpflanzen. In dieser sommernachtstraumartigen Wirrnis tanzt das Ensemble des „Spellbound Ballets“ aus Rom zu Klängen aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“.

Es beginnt ein verzaubernder Abend mit modernem Tanz, der das Publikum im Teo Otto Theater in Begeisterung versetzt. Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ haben sich abgenutzt. Als Hintergrundmusik für Werbung und eingesetzt in anderen kunstfernen Zusammenhängen schrumpft sie zum Berieselungssound. Das bedauert der Komponist Max Richter und hat das Werk neu bearbeitet. Ein Rettungsversuch, geleitet von dem Wunsch, die von Kindheit an geliebte Musik auf frische Weise zu hören. Für den Choreografen Jean-Guillaume Weis ergab sich daraus die Inspiration zu seiner Choreografie „Seasons“ (47 Minuten). Sein Ansatz: Nicht nur die Wechsel der Natur sollten offenbart werden, sondern auch der Mensch und wie er sich mit den Jahreszeiten verändert.

Weis zählte zu den Tänzern bei Pina Bausch. Diese Erfahrung hat ihn geprägt. Das ist in seinen Bildern unverkennbar. Doch sie wirken nicht wie eine Kopie aus dem Bauschkosmos, sondern wie ein Zitat, dessen Inhalt neu aufscheint. Männer tragen Frauen quer über die Bühne. Ein Mädchen reißt sich immer wieder ihr Kleid vom Leib, und bekommt es immer wieder übergestülpt. Weis’ erotisch aufgeladene Szenen wirken leicht, zart und ohne schweres Pathos. Zwischen den einzelnen Teilen herrscht Stille. Nur der Atem der Tänzerinnen und Tänzer ist zu hören. Sie blicken durch den Zauberwald wie Suchende nach einem Weg durchs Dunkle. Bis Vivaldiklänge einsetzen und die Bewegungen von Neuem beginnen, Paare sich finden und verlieren, Menschen sich verknäulen und plötzlich isoliert dastehen. Auf der Bühne bleibt es meist düster wie in einem Schacht, in den von oben das Licht hineinscheint. Aber die Musik von Vivaldi / Richter strebt immer zur Sonne hinauf. Mal in stampfenden Rhythmen, mal mit einem zarten Violinsolo. So gibt es nach jedem Suchen immer auch ein Finden.

Das neunköpfige Ensemble verfügt über glänzende Tänzerinnen und Tänzer. Die jungen Künstler beeindrucken nicht nur durch ihr Handwerk, sondern durch ihre Persönlichkeit auf der Bühne. Keiner ist austauschbar. Selbst in den Gruppenszenen funkelt es vor Individualisten.

Nach der Pause zeigt sich „Spellbound“ von seiner humoristischen Seite. Ausschnitte aus Rossini-Ouvertüren sind zu hören. Mauro Astolfi, der Leiter der Companie, entwickelte die Choreografie. Die Tänzer (in Hosen-Kostümen mit barocken Stilelementen und hochgesteckten Haaren) wirken wie eine außer Kontrolle geratene Dienerschaft bei Hofe. Alles kleine „Figaro“-Miniaturen, von denen am Ende alle mal den „Barbier von Sevilla“ spielen wollen. Das kulminiert in einer grotesken Friseursalonszene, in der bald keiner mehr weiß, wer hier wen rasiert. Rasiermesser blitzen, Männer schwitzen. Ein Aufstehen, ein Hinlegen, Verzweiflung auf allen Seiten, bis alles in einem Tusch auseinanderfliegt.

Ovationen für einen Tanzabend der besonderen Klasse.

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