Engagement in Remscheid Streitschlichtung geht auch ohne Gericht

Remscheid · Werner Fritzsche ist einer von vier Schiedsleuten in Remscheid. Er und seine Kollegen werden vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten aktiv. Manchmal können aber auch sie den Weg vor das Amtsgericht nicht verhindern.

 Werner Fritzsche ist seit 15 Jahren Schiedsmann für den Bezirk Alt-Remscheid. Zusammen mit drei Kollegen entlastet er das Amtsgericht.

Werner Fritzsche ist seit 15 Jahren Schiedsmann für den Bezirk Alt-Remscheid. Zusammen mit drei Kollegen entlastet er das Amtsgericht.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Streitigkeiten unter Nachbarn gibt es vermutlich schon solange, wie es Nachbarschaften auf der Welt gibt. Immer ist dem einen die Hecke zu hoch, beim anderen wird zu oft der Rasen gemäht. Immer wieder, wenn sich die Parteien partout nicht einigen können, landen diese Geschichten vor dem Amtsgericht. Das ist teuer, kostet Zeit – und wäre in vielen Fällen überhaupt nicht nötig gewesen. Hätte man sich an Menschen wie Werner Fritzsche aus Remscheid gewendet. Der 70-jährige ehemalige Betriebsrat ist einer von vier Schiedsleuten in der Stadt, die als offizielle Instanz vor die Gerichte geschaltet sind. „Deswegen wurde das Prinzip auch vor vielen Jahren ins Leben gerufen – um die Gerichte zu entlasten“, sagt Fritzsche.

Der Remscheider ist mit Mitte 50 in den Ruhestand gegangen, und hat damals kurze Zeit später eine Anzeige in der Zeitung gesehen, dass für einen Remscheider Schiedsmann ein Nachfolger gesucht wurde. „Darauf habe ich mich einfach beworben. Es gab dann ein Vorstellungsgespräch mit der Bezirksvertretung“, sagt Fritzsche. Es habe mehrere Bewerber gegeben. Aber nur einen Tag später habe er dann die Zusage bekommen. „Dann bin ich zum Amtsgericht, wurde vereidigt – und mache den Job jetzt auch schon seit
15 Jahren“, sagt er schmunzelnd.

Er lernt dabei viele Menschen mit vielen unterschiedlichen Problemen kennen. Allerdings zieht sich das Thema Nachbarschaft wie ein roter Faden durch seinen Arbeitsalltag. „Das liegt natürlich auch mit daran, dass wir nicht alle Fälle bearbeiten dürfen. Familienstreitigkeiten oder Erbstreitigkeiten sind etwa solche Fälle. Oder wenn bereits ein Gerichtsurteil vorliegt, dessen Auflagen nicht eingehalten werden. Dann sind wir raus“, sagt der 70-Jährige.

Er würde sich wünschen, dass seine Arbeit ein wenig bekannter wäre. „Dann könnte so mancher Gang vor das Gericht verhindert werden“, ist er überzeugt. Manchmal sei es zum Glück so, dass die Staatsanwaltschaft einem Kläger sagt, er solle doch mal zum Schiedsmann oder der Schiedsfrau gehen. „Dann kommt derjenige zu mir – oder zu einem meiner Kollegen, je nachdem, wo er wohnt“, sagt Fritzsche. Die vier Schiedsleute teilen sich Remscheid nach Bezirken auf.

Am Anfang stehe immer das Gespräch mit dem Antragsteller. „Ich höre mir an, was das Problem ist. Dann kann ich das Ganze auch schon mal ein bisschen einschätzen“, sagt Fritzsche. Es folge ein Ortstermin, danach komme es dann zum Gespräch mit beiden Parteien. „Ich suche immer das Gespräch, denn nur redenden Menschen kann geholfen werden. Wer nicht mehr miteinander redet – das sind dann meist die aussichtslosen Fälle“, sagt der 70-Jährige.

Die ersten Beratungsgespräche sind übrigens kostenlos. Kommt es zu keiner Einigung, muss der Antragsteller zehn Euro plus Auslagen zahlen, bei Erfog kostet der Schiedsspruch 25 Euro plus Auslagen. „Die eine Hälfte davon geht an die Kommune, die andere ist sozusagen mein Honorar“, sagt Fritzsche. Ein günstiger Kurs, vor allem, wenn man bedenkt, was alleine ein Rechtsanwalt für seine Arbeit bekommt. „Manchmal hilft ja schon ein Brief, wenn der Fall ganz klar ist. Und manchmal kann ich auch direkt sagen: Das ist ein aussichtsloser Fall, das muss man hinnehmen“, sagt der 70-Jährige. Er will seine Aufgabe übrigens noch lange nicht abgeben. „Es gibt eine Altersgrenze für uns Schiedsleute. Eigentlich muss man mit 70 aufhören. Wenn man aber nachweist, das man körperlich und geistig noch dazu in der Lage ist, kann man verlängern.“

Der Nachbarschaftsstreit wird Werner Fritzsche also auch noch länger begleiten. „Der Zank ist ja ganz schnell da, auch wenn die Nachbarn sich eigentlich gut kannten. Und auch Beleidigungen sind oft Thema. Manchmal wollen die Leute einfach nur eine Entschuldigung. Und wenn ich dabei helfen kann, dann ist das doch eine gute Sache“, sagt Fritzsche lächelnd.

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