Wirtschaft in Remscheid und Solingen Streik belastet bergische Unternehmen
Remscheid / Solingen · Eine Blitzumfrage der Bergischen Industrie- und Handelskammer hat ergeben, dass die aktuelle Streiksituation den täglichen Betrieb bei rund der Hälfte der Unternehmen einschränkt. Rund ein Drittel spricht sogar von wirtschaftlichen Einbußen.
Nachdem für Montag ein Generalstreik im Verkehrswesen angekündigt worden war, standen alle Zeichen auf „Gesamtkollaps“. So zumindest dachte die Bergische Industrie- und Handelskammer und entschloss sich kurzfristig zu einer Blitzumfrage unter den angebundenen Unternehmen.
Wie stehen Wirtschaft und Industrie zur (erneuten) Arbeitsniederlegung und inwieweit wirkt sich diese auf den eigenen betrieblichen Ablauf aus? „Wir waren überwältigt von der Resonanz, über 500 Betriebe haben sich zurückgemeldet“, berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Micheal Wenge und präsentiert die wichtigsten Erkenntnisse: Demnach sehen 77 Prozent den Streik vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen als nicht angemessen an. „In einer Antwort hieß es etwa, Verdi nehme nach Corona und Ukraine den Mund einfach zu voll und schade wissentlich der Wirtschaft“, berichtet Wenge. Zudem hielten die Betriebe die Forderungen nach 10,5 Prozent mehr Lohn für völlig utopisch – das könnten die klammen öffentlichen Arbeitgeber „doch nie und nimmer zahlen“.
Eine Ansicht, die auch Oberbügermeister Burkhard Mast-Weisz ganz offensichtlich teilt. Am Morgen hatte er als Studiogast im ZDF-Morgenmagazin seine Sicht der Dinge zum Thema Generalstreik offen dargestellt. „Das, was die Gewerkschaft will, ist nicht nur für Remscheid eine Überforderung. Das funktioniert überhaupt nur dann, wenn die Kommunalfinanzierung gestärkt wird in Form einer Altschuldenregelung.“
Die IHK-Umfrage hat zudem gezeigt, dass rund die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) den eigenen täglichen Betriebsablauf durch die gewerkschaftlichen Maßnahmen als gestört ansehen, 33 Prozent verzeichnen konkrete Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg. „Ich war heute Morgen bei Saturn in Wuppertal, da waren vielleicht fünf Kunden“, erzählt Wenge, „das hat mich doch sehr an die Zeiten im Lockdown erinnert. Die gesamte Fußgängerzone wirkte vereinsamt.“ Insofern trifft der Ausfall von Bus und Bahn ganz klar vor allem den Einzelhandel sowie die produzierenden Gewerbe, in denen Arbeit nicht im Homeoffice verrichtet werden kann, wenn öffentliche Verkehrsbetriebe streiken. Teils gaben die Unternehmen in der Befragung an, dass ganze Schichten ausfallen müssten, weil Arbeitnehmer nicht zum Arbeitsplatz kämen, ohnehin bestehende Lieferengpässe würden sich noch verschärfen.
38 Prozent berichteten, dass sie ihre Mitarbeiter mit diversen Maßnahmen unterstützt hätten, um die erschwerten Bedingungen in irgendeiner Weise zu kompensieren. „Neben Homeoffice wurde teils ein Shuttledienst organisiert, Taxis oder ein betriebsinterner Fahrdienst gestellt. Ganz zu schweigen von flexiblen Arbeitszeiten und dem kurzfristigen Abbau von Überstunden“, fasst es Wenge zusammen.
Eine Sorge teilen scheinbar alle Unternehmen: Dass das erst der Anfang ist. Mit Schrecken erinnert der IHK-Geschäftsführer an 1992, als die Verkehrsbetriebe zwölf Tage am Stück gestreikt haben. „Wir sind uns bewusst darüber, dass Streik ein Grundrecht ist, aber vor dem Hintergrund der anderen Krisen wäre das ein worst case.“ Mast-Weisz betonte im ZDF, dass seiner Auffassung nach „in Bezug auf Lohnerhöhungen etwas passieren muss“, aber die Gewerkschaft habe nun langsam genug Nadelstiche gesetzt, man müsse endlich „zu einem guten Ergebnis kommen“. „Das soll natürlich so aussehen, dass die untersten Lohngruppen mit ihrem Einkommen auskommen und dieses sich auch klar von der Höhe der Transferleistungen abgrenzt“, so der OB. Und appellierte nochmals an Verdi, sich kompromissbereit zu zeigen. „Die Dauerstreiks gehen der Gesellschaft wirklich an die Substanz.“