Remscheider vor Gericht Sexueller Missbrauch – Vater freigesprochen

Remscheid · Freispruch für einen Vater, der seinen Sohn sexuell missbraucht haben soll? Der Berufungsrichter machte keinen Hehl daraus, dass ihm eine solche Entscheidung des Amtsgerichtes nicht gefallen habe.

 Im Zweifel gilt die Unschuldsvermutung.

Im Zweifel gilt die Unschuldsvermutung.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Und dennoch: Auch er konnte nicht anders, als den Angeklagten ungestraft nach Hause zu schicken. Dabei scheint auch für ihn klar zu sein: „Irgendwas wird da gewesen sein.“

Mit einem „Irgendwas“ jedoch tun sich Gerichte naturgemäß schwer, und das ist auch gut so. Im Zweifel gilt die Unschuldsvermutung und ebenjene Zweifel hatte es in diesem Fall gegeben. Beim Amtsgericht angeklagt waren zwei strafbare Handlungen: Zweimal soll der Vater den damals fünfjährigen Sohn dazu gedrängt haben, seinen Penis in die Hand zu nehmen. Auf der Couch sitzend, unter einer Decke. Beim zweiten Mal soll dann auch noch eine gleichaltrige Freundin dabei gewesen sein. 

Als die Sache drei Jahre später verhandelt wurde, soll der Junge einer psychiatrischen Sachverständigen erzählt haben, dass er den Penis auch noch habe in den Mund nehmen müssen und dabei vor der Couch gekniet habe. Anfassen und orale Stimulation: Im juristischen Sinne sind das zwei unterschiedliche Tathandlungen. Angeklagt war die erste – und erzählt hatte der Junge von der zweiten Tat.

Für den Richter ist ein solches Aussageverhalten ein Problem: wohlwissend, dass man Kindern im Zeugenstand ohnehin schon vieles abverlangt. Hier allerdings gab es nun das vermeintliche „Anfassen“, das zwar angeklagt war, allerdings nicht bewiesen werden konnten. Und es gab das „In-den-Mund-nehmen“, das nicht angeklagt war: Davon hatte der Junge vorher nichts erzählt.

Dem Amtsrichter war bei der erstinstanzlichen Verhandlung nichts anderes übriggeblieben, als den angeklagten Vater freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung – und nicht nur das: Es gab eine neue Anklage wegen dem vom Opfer geschilderten, erzwungenen Oralverkehr.

Das Problem: Man habe nicht ausschließen können, das „In-den-Mund-nehmen“ und „Anfassen“ nacheinander abgelaufen und daher doch ein und dieselbe Tat gewesen sind. Das Verfahren wurde eingestellt.

Nun also hatte der Berufungsrichter die Akte auf dem Tisch – neun Jahre nach der angeklagten Tat und vier Jahre nach dem Freispruch durch das Amtsgericht. Man habe bislang nicht die Zeit gefunden inmitten von Haftsachen, bei denen Fristen drängen würden: Seit Jahren schon ächzen die Gerichte unter einer nicht enden wollenden Verfahrensflut.

In diesem Fall war schon vor Prozessbeginn klar, dass man das mittlerweile 14-jährige Opfer nicht mehr in den Zeugenstand laden werde. Einerseits drohe eine Retraumatisierung – andererseits sei keine Aussage zu erwarten, die endgültige Klarheit über die Abläufe schaffen könne.

Am Rande der Verhandlung war zu hören, dass der Angeklagte schon in der kommenden Woche in anderer Sache vor Gericht steht. Derweilen soll die getrennt lebende Mutter den 14-Jährigen geschlagen und zu Hause nicht mehr reingelassen haben. Der Junge und seine Geschwister sollen in einem Heim untergebracht werden.

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