Tattoos für Altenheim-Bewohner in Remscheid Seniorenheim-Aktion geht unter die Haut
Südbezirk · In der Remscheider Senioreneinrichtung „Alloheim“ hat die erste Tattoo-Convention für Bewohner und Mitarbeiter stattgefunden. Und die Teilnehmer waren begeistert.

Altenheim-Bewohner lassen sich tätowieren
Michael hat ein ziemlich breites Grinsen im Gesicht. „Seit 30 Jahren will ich mich tätowieren lassen und jetzt ist der Tag da“, erklärt der Bewohner der Senioreneinrichtung Alloheim mit rauer Stimme, „jetzt endlich verewige ich meine Liebste.“
Harte Rockmusik schallt aus den Lautsprechern, im Sozialraum der Senioreneinrichtung sind die beiden Tätowierer Peat und Chris sowie Piercer Lars noch dabei, letzte Vorbereitungen zu treffen, legen Pinzetten, Scheren, Folie bereit, platzieren Desinfektionsmittel und verschiedene Sprühflaschen, schließen die Tattoomaschinen an Strom an.
„Was für eine geile Idee, ich hab schon weltweit überall tätowiert, aber noch nie im Altenheim“, ruft der 58-jährige Peat grinsend gegen die Musik an, während er Michaels Unterarm auf einer Stütze platziert und die Haare mit einem Trockenrasierer wegschneidet. „Ich habe Michael im Vorfeld gesagt, dass er das nicht selbst machen soll. Denn dann besteht immer die Gefahr, dass er sich vielleicht schneidet und da könnten dann Keime eindringen und genau das wollen wir ja nicht.“ Hygiene, so betont Peat, sei das A und O. „Unserer Eingriffe werden juristisch als kosmetische Operationen eingeordnet, da sind wir mehr als penibel.“
Zeitgleich arbeitet sein Kollege Chris bereits an einem großflächigen Tattoo auf dem Schienbein von Frank Loseries. Der Leiter der Sozialen Dienste hat schon einige Tausend Euro für Kunstwerke auf seiner Haut ausgegeben. „Ich bin immer wieder von Bewohnern angesprochen worden, die meine Tattoos toll fanden und irgendwann erzählten mir immer mehr, dass sie auch so gerne eins hätten – so hab ich kurzerhand die Tätowierer meines Vertrauens ins Boot geholt und so ist die heutige Tattoo-Convention entstanden, erzählt Loseries, während die Maschine surrt und er sich den Schweiß von der Stirn wischt.
Insgesamt rund zehn Bewohner hatten sich im Vorfeld angemeldet, einige seien kurzfristig abgesprungen, vielleicht aus Angst vor dem Schmerz, mutmaßt der Mitarbeiter. Einer habe sich so sehr auf diesen Tag gefreut, er habe unbedingt das Logo seines türkischen Lieblingsfußballclubs Fenerbahce Istanbul auf seiner Haut verewigen lassen wollen. Da er aber ein blutverdünnendes Medikament nehmen muss, habe er letztlich schweren Herzens darauf verzichtet.
„Aua, aua“ klingt es aus einer anderen Ecke des Raums. Alloheim-Bewohnerin Doris bekommt gerade Ohrlöcher von Piercer Lars gestochen, Julia von den Sozialen Diensten hält währenddessen Händchen. „Schon passiert Doris“, sagt Lars mit ruhiger Stimme und klopft ihr auf die Schulter, „war doch gar nicht so schlimm, oder?“ Doris wischt sich die feuchten Augen ab, jetzt strahlt sie. Lars reicht einen Spiegel: „Guckmal Doris, klasse, oder?“ Die 64-Jährige dreht den Kopf hin und her. „Bald kaufe ich mir rote Stecker, Rot ist meine Lieblingsfarbe.“
Michael beobachtet die Situation, während Tätowierer Peat das erste der drei chinesischen Schriftzeichen auf seinem Unterarm bereits fertig gestochen hat. „Ich weiß gar nicht, was die hat“, kommentiert er, macht selbstironisch auf „harter Kerl“. „Das hier jedenfalls tut mal gar nicht weh, das kitzelt doch bloß.“ Dann grinst er Peat an. „Kannst gerne noch stundenlang weitermachen.“
Die chinesischen Schriftzeichen stehen für „Sandra“, den Vornamen seiner „Liebsten“. „Ich habe mich extra für das Chinesische entschlossen, weil niemand weiß, was es heißt“, scherzt Michael. „Wenn ich mal ne andere Frau hab, muss ich nicht, wie man das früher gemacht hat, den Vornamen der Ex durchstreichen. Ist doch praktisch.“
Nach rund einer Stunde ist das Kunstwerk auf der Haut schließlich vollendet. Mit den Worten „Ich sag doch, ein richtiger Kerl kennt keine Schmerzen“, verabschiedet sich Michael, steht vom Stuhl auf und greift zu den Zigaretten in seinem Rollator. „Darauf muss ich mir erst mal eine rauchen.“
Doris bekommt noch einige Pflegetipps von Lars, dann verlässt auch sie mit einem glücklichen Lachen im Gesicht den Raum. „Ich finde da gar keine Worte für. Das hier ist wirklich der Hammer, diese Freude in den Augen, unbezahlbar“, schwärmt der 43-jährige Piercer, „genau für diese Momente liebe ich meinen Beruf so sehr.“