Home-Schooling in Remscheid Mühsames Lernen ohne Lehrer

Remscheid · Der Hausunterricht in der Corona-Krise stellt selbst Familien, die gute Voraussetzungen haben, vor große Herausforderungen.

 Kunst und Chemie am Wohnzimmertisch: Robin Päppinghaus (13, l.) und sein Bruder Jan (15) konzentrieren sich auf die Schulaufgaben.

Kunst und Chemie am Wohnzimmertisch: Robin Päppinghaus (13, l.) und sein Bruder Jan (15) konzentrieren sich auf die Schulaufgaben.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Die Mutter von Jan und Robin Päppinghaus kann nicht leugnen, dass die letzten Wochen nervenaufreibend waren: „Meine Jungs haben normalerweise keine größeren schulischen Probleme, eher im Gegenteil“. Dennoch seien ihre Söhne beim andauernden „Home-Schooling“ mittlerweile an ihre Grenzen gestoßen.

„Das geht ja nun schon seit dem 16. März so, und da ergeben sich Probleme ganz praktischer Art“, klagt Katja Päppinghaus, die mit ihrem Mann und den zwei Brüdern in Lüttringhausen lebt. Die Schule ihrer Söhne, das Leibniz-Gymnasium, ist fußläufig erreichbar, und unter normalen Umständen läuft „alles mehr oder weniger am Schnürchen“: Beide Jungs hätten ein eigenes Kinderzimmer mit einer guten WLAN-Verbindung und einen eigenen PC. Ein Drucker stehe in den Zimmern aber nicht: „Üblicherweise müssen Schüler heutzutage ja nicht viel drucken.“

Doch in Corona-Zeiten sei auch bei Schülern nichts mehr normal: „Die Lehrer schicken Aufgaben und empfehlen, sie auszudrucken, damit wir Eltern oder auch die Schüler selbst eine Leistungskontrolle vornehmen können.“ Um das zu realisieren, haben sie bereits vor Wochen ein Notebook und den Drucker im Wohnzimmer aufgebaut. Dort sitzen die Brüder seitdem fast täglich und kämpfen sich mit ihrer Mutter durch die Flut an Aufgaben.

Ein Zwang, das zu tun, bestehe gemäß der Richtlinien des NRW-Schulministeriums nicht: „Kein Politiker kann schließlich voraussetzen, dass alle Schüler daheim die technischen und räumlichen Voraussetzungen haben.“ Darum sei auch „alles, was wir hier machen, freiwillig“. Notwendig ist es aus Sicht der Mutter indes allemal: „Vor allem Jan steht wegen der anstehenden Qualifikationsphase für das Abitur gehörig unter Druck.“ Denn als G 8-Zehntklässler in der Einführungsphase müsse er sich noch in diesem Halbjahr entscheiden, „welche Grund- und Leistungskurse er ab dem kommenden Schuljahr bis zur Allgemeinen Hochschulreife belegen will“. Dafür müsse er erst einmal herausfinden, „in welchen Fächern nach aktuellem Stand seine Stärken und Schwächen liegen“. Jan zeigt sich da etwas ratlos: „Wie soll das gehen, wenn man keine regulären Klausuren schreiben kann?“

Ein Problem, mit dem die 16-jährige Celina Lüke vom Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium nicht mehr zu kämpfen hat: Als Elftklässlerin steht sie mitten in der Qualifikationsphase. Doch genau das sei jetzt die Krux. Denn Celina ist eine ehrgeizige Schülerin, die Medizin studieren möchte. Dafür brauche sie „ein sehr gutes Abitur, am besten mit einem Notendurchschnitt nahe 1,0“. Eigentlich sei sie auf einem guten Weg gewesen. Doch durch den Corona-Shutdown bange sie nun um ihre Noten. Zwar gebe es „gewisse Erleichterungen, die auf der Homepage des Ministeriums nachzulesen sind“. Das seien jedoch „nur kleine Hilfen, die mit keiner regulären Leistungsüberprüfung standhalten können“.

So ermögliche es Schulministerin Yvonne Gebauer beispielsweise, „dass gute Leistungen aus der aktuellen Lernpause, die wir den Lehrern je nach Schule und Lehrkraft über die Schulcloud oder direkt per E-Mail nachweisen können, positiv in die Note der sonstigen Mitarbeit einfließen“. Diese sogenannte SoMi-Note mache in vielen Fächern etwa 50 Prozent der Gesamtnote aus. Doch es gehe eben nicht nur um das, was nachher formal auf dem Zeugnis steht: „Dahinter sollte auch ein sich tatsächlich angeeignetes Wissen stehen.“ Beim E-Learning müssten Lehrer an dieser Stelle allemal ein großes Fragezeichen setzen: Schließlich wisse niemand besser als Schüler, „wie sich in Zeiten von Internet und Smartphone sämtliche digitalen Kanäle und Wege nutzen lassen, um etwa per Copy und Paste die Noten aufzubessern“. Zum Glück sei sie bereits in einem Alter, „in dem ich selbst verantwortungsvoll entscheiden kann, ob ich E-Learning seriös betreibe oder nicht“.

Ihre jüngere Schwester, die auch auf der EMA sei und dort die 7. Klasse besuche, habe da ganz andere Sorgen: „Cecilia ist in einem Alter, in dem man mit digitalem Lernen aus meiner Sicht überfordert ist.“ Das bestätigt auch ihre Mutter Simone: „Meine jüngere Tochter kommt im Vergleich zu Celina mit der aktuellen Situation weniger gut klar.“ Zwar sei auch Cecilia eine tadellose Schülerin. Das gelte jedoch nur für Zeiten mit Präsenzunterricht. Vor dem Hintergrund dieser persönlichen Eindrücke könne sie jetzt bestens nachvollziehen, „warum einige Experten dafür plädierten, zunächst die jüngeren Kinder wieder in die Schulen zu lassen“. Das hatte „sicher viel mit der Sorge um das Kindeswohl zu tun“. Doch gewiss habe auch die Frage eine Rolle gespielt, „wer sich in welchem Alter im Homeoffice besser organisieren kann“.

Im Falle der Brüder Päppinghaus ist das aus Sicht ihrer Mutter jedoch eindeutig der jüngere Sohn. Der ältere sei „wegen seiner Begabung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und einem ausgezeichneten Gedächtnis“ bisher „ganz gut ohne strukturiertes Lernen durchgekommen“. Spätestens in der Oberstufe seien gute Noten „ohne Lernstrukturen und eine gewisse Disziplin“ indes unmöglich. Ihr Eindruck sei allgemein, „dass es hier bei den Jungs mehr hapert als bei den Mädchen“.

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