Behandlung in Remscheid Krebstherapie macht große Fortschritte

Remscheid · Rund 5000 Remscheider sind aktuell an Krebs erkrankt. Für sie und alle anderen Betroffenen gibt es Grund zur Hoffnung. Eine recht neue Therapieform bekämpft einige Krebsarten mit enormem Erfolg.

Hämato-Onkologin Neda Klee von der Onkologischen Tagesklinik Remscheid.

Hämato-Onkologin Neda Klee von der Onkologischen Tagesklinik Remscheid.

Foto: Jürgen Moll

Alexandra G. hat sich immer gesund ernährt, sie geht joggen und macht Yoga, um auf ihre innere Balance zu achten. Regelmäßig geht die 58-Jährige zur Vorsorge, so auch im vergangenen Spätsommer. „Ich fühlte mich topfit und gesund“, erinnert sie sich zurück an die Zeit vor ihrer Darmspiegelung. „Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass da was sein könnte.“

Doch schon kurz nach dem kleinen Eingriff erfährt sie, dass der Arzt auffällige Gewebeproben entnommen habe, wenige Tage später dann das Ergebnis: bösartig. Alexandra G. hat Darmkrebs. Was jetzt folgt, ähnelt einem Sturz aus dem Wolkenkratzer. Für die Mutter zweier erwachsener Kinder steht fest: Das überlebe ich nicht. Niemand überlebt das. Bald bin ich tot.

  V iele dieser Proben stammen von Leukämie-Patienten. Unter dem Mikrosokop werden sie näher bestimmt.

V iele dieser Proben stammen von Leukämie-Patienten. Unter dem Mikrosokop werden sie näher bestimmt.

Foto: Jürgen Moll

Dr. med. Matthias Klee schüttelt energisch den Kopf. „Das stimmt nicht. Krebs muss schon lange kein Todesurteil mehr sein“, widerspricht der Remscheider Onkologe. Seine Frau Neda Klee kann dem nur zustimmen. „Wir hatten erst unlängst einen Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom, der als austherapiert galt. Er kam zu uns als Palliativpatient. Mittlerweile ist der Krebs komplett verschwunden, und dem Mann geht es hervorragend.“

Diese inzwischen schon seit mehreren Jahren andauernde Rückbildung des Tumors und aller Metastasen, da ist sich das Arztehepaar, das in Remscheid die Onkologische Tagesklinik am Allee-Center betreibt, sicher, verdankt der Patient einem eher neuen Therapieansatz in der Krebsbehandlung: der Immuntherapie. Neben der OP, der Chemo- und der Strahlentherapie gilt die Immunonkologie als vierter Pfeiler bei bösartigen Tumorerkrankungen.

„Ursprünglich wurde die Immuntherapie zur Palliativbehandlung unheilbarer Krebserkrankungen eingesetzt, nun aber wird sie zunehmend auch zur Bekämpfung früher Stadien der Erkrankung und zur Verbesserung der Heilungschancen angewandt“, erklärt Matthias Klee. „Die Immuntherapie kann anstelle der üblichen Chemotherapien eingesetzt werden, aber auch in Kombination mit den anderen Behandlungsmethoden oder als Ergänzung. Sie ist verträglicher, die Patienten leiden nicht unter Erbrechen, Erschöpfung oder Haarausfall.“

So, wie der Onkologe die Funktion einfach erklärt, „tragen Tumorzellen Oberflächenmerkmale, die dem Immunsystem vortäuschen, sie seien harmlos. Daher werden sie von der körpereigenen Abwehr nicht angegriffen und zerstört. Durch die Immuntherapie werden diese irreführenden Merkmale aufgelöst, neutralisiert.“

Auch die Chefärztin der Medizinischen Klinik II am Sana-Klinikum, Dr. med. Christine Stanull, hat positive Erfahrungen gesammelt, spricht von zahlreichen Studien, „deren Ergebnisse mutmachend seien“. „Ganz klar kann man bei der Immuntherapie von einem wissenschaftlichen Durchbruch sprechen. Das erste Medikament kam 2011 auf den Markt, seither wachsen die Erfolge in der Behandlung“, berichtet die Fachärztin für Onkologie

Der Patient mit dem Bronchialkarzinom kommt nach wie vor alle drei Wochen zur Infusion in die Onkologische Tagesklinik in der Remscheider Innenstadt, zur Sicherheit, falls doch irgendwo in seinem Körper noch oder wieder Krebszellen lauern. „Wir sind absolut begeistert, müssen aber betonen, dass die Immuntherapie nicht bei allen Krebsarten anschlägt“, schränkt Neda Klee ein. So ist bekannt, dass Bauchspeicheldrüsen-, Eierstock-, Prostata- und auch bestimmte Brustkrebsarten nicht oder kaum auf die Therapie ansprechen. „In Fällen, in denen die reine Immuntherapie keine Wirksamkeit zeigen kann, gibt es dennoch von Fall zu Fall die Möglichkeit einer Kombination aus Chemotherapie und verschiedenen Immuntherapeutika“, ergänzt Christine Stanull.

Aber selbst wenn keine Therapie anschlägt, keine Heilung (mehr) möglich, der Patient austherapiert ist, gibt es mittlerweile auch im Bereich der Palliativmedizin einige Möglichkeiten, die Krankheit der Betroffenen „im Zaum zu halten“. „Und zwar so, dass ein Leben mit hoher Lebensqualität oft noch über mehrere Jahre oder vielleicht sogar bis zum natürlichen Lebensende möglich ist“, erläutert Matthias Klee und räumt gleich mit einem Missverständnis auf: „Viele Menschen denken, dass, wenn sie palliativ behandelt werden müssen, sie nur noch wenige Tage oder Wochen zu leben hätten.“ Das aber sei falsch. „Palliativ bedeutet nur, dass eine Krankheit nicht heilbar ist. „Wenn man diese Definition nimmt, werden zum Beispiel auch Rheumapatienten palliativ behandelt. Das wissen nur viele Menschen nicht.“

Alexandra G. wurde nach ihrer Darmkrebsdiagnose operiert. Auch bei ihr wird eine medikamentöse Therapie folgen, mit großen Heilungsschancen. Und weil sie nach ihrer Diagnose in eine tiefe Depression gefallen war, haben ihre beiden Kinder und ihr Mann sie mit einem Welpen, einem Irish Setter, überrascht.

„Ich bin als Kind mit dieser Rasse aufgewachsen und wollte später im Ruhestand noch mal einen haben. Diesen Wunsch haben sie mir jetzt erfüllt, weil sie so Angst hatten, ich würde mich aufgeben und vor allem psychisch nicht mehr auf die Beine kommen“, erklärt Alexandra G.: „Das ist jetzt bestimt nicht mehr der Fall. Der Hund gibt mir so unendlich viel Lebensmut.“

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